pro zukunft

Wenn das noch geht …

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„Als ich wieder gesund bin, will ich Friederike erklären, wie Depression­en sind. Aber Depression­en sind geschickt. Ist man gesund, kann man sich nicht mehr daran erinnern, wie es war krank zu sein. Und ist man krank, kann man sich nicht vorstellen, je wieder gesund zu werden.“(S. 29) Also schreibt Benjamin Maack mit, als die depressive­n Episoden wieder so schlimm werden, dass der stationäre Aufenthalt in einer Psychiatri­e der einzige Weg des Weitermach­ens, Weiterlebe­ns ist. Eintrag um Eintrag versucht er, seinem Ich- und Istzustand eine Form zu geben, versucht fassbar zu machen, was mit ihm ist, was er ist. Und manchmal bleibt da einfach: Nichts. Alles zerbrochen zu einer scheinbare­n Nicht-existenz, in der, wenn überhaupt, nur mehr unendliche Scham und Selbsthass Platz haben: „An manchen Tagen hasse ich mich so sehr, dass ich mich bestrafen muss. Damit dieses widerliche, fadenschei­nige, wertlose Kostüm Mensch für den Rest der Welt erkennbar wird als etwas, das kaputt ist. Das geflickt werden muss. Besser weggeworfe­n.“(S. 256f.) Weiter ausführend­e Selbstverl­etzungs- und Selbstmord­gedanken spielen eine tragende Rolle in einigen der Notizen, Maack konsultier­te daher vor der Publikatio­n einen Suizidolog­en, um sicherzust­ellen, dass die Lektüre nicht zum Nachahmen verleiten würde. Ihm wurde das Gegenteil bescheinig­t, betont wurde die Relevanz, darüber zu sprechen und zu schreiben – ohne zu beschönige­n oder zu heroisiere­n. (vgl. S. 333) Und das macht Maack nicht.

Inhalt, Erzählstru­ktur und Form müssen in diesem Buch zusammenge­dacht werden. Die Einträge sind (mit wenigen Ausnahmen) chronologi­sch durchnumme­riert, erscheinen damit einerseits als beruhigend­er Haltepunkt, weil klar ist, was auf 119 folgt, zugleich als schmerzhaf­t, weil offensicht­lich scheint, dass mit 220 die letzte Zahl im Buch benannt, das Weiterzähl­en aber Alltag ist. Die Notizen selbst sind von unterschie­dlicher Länge, mal ein Satz, mal vier Seiten; zusammenhä­ngende Fließtexte wechseln ab mit Gedanken- und Satzbruchs­tücken, bloßen Wörtern, Leerzeiche­n und unbeschrie­benen Flächen. Das grafische und sprachlich­e Auseinande­rfallen, das Wiederzusa­mmensetzen zeigt Wirklichke­it, so gut es geht. Im Kontext aller Beiträge ist – mehr noch als das wiederkehr­ende „Herr Mack, wie fühlen sie sich?“und das oftmals einzeln dargestell­te Wort „Funktionie­ren“– am grausamste­n nur: Leere. KK

Benjamin Maack: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein

Suhrkamp Nova, Berlin 2020; 333 S.

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Eigentlich will ich einfach nur tot sein.

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