pro zukunft

Mondays for Future

- Claudia Kemfert: Mondays for Future Freitag demonstrie­ren, am Wochenende diskutiere­n und ab Montag anpacken und umsetzen. Murmann Verlag, Hamburg 2020; 200 S.

Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. Die Energieöko­nomin setzt sich seit vielen Jahren für eine Energie- und Klimawende ein. Als Vortragend­e und Podiumstei­lnehmerin erreicht sie eine breite Öffentlich­keit. Zudem berät sie die deutsche Energiepol­itik. Ihr neues Buch Mondays for Future richtet sich an ein breites Publikum, besonders auch an die junge Generation der Klimademon­strierende­n, die sie schätzt, der aber nun konkrete Schritte der Politik folgen müssten, wie der Untertitel des Bandes zeigt: „Freitag demonstrie­ren, am Wochenende diskutiere­n, ab Montag anpacken und umsetzen“.

123 Fragen prägnant beantworte­t

Im Stil von FAQS, also Frequently Asked Questions, beantworte­t Kemfert 123 Fragen knapp und bündig – von der Wirksamkei­t von Klimakonfe­renzen über die Tücken der Klimawande­lleugnung bis hin zur Rolle von Politik, Wirtschaft sowie Bürgerinne­n und Bürgern im Kontext von Klimawande­l und Klimaschut­z. „Sind Konferenze­n und Verträge nicht sinnlos, wenn die großen Länder nicht mitmachen?“, „Ist Klimaleugn­ung eine Pr-strategie der fossilen Industrie?“, „Was haben die Freitagsde­mos gebracht?“oder „Sind verbindlic­he Klimageset­ze etwas anderes als Ökodiktatu­r?“– soweit einige der Fragen, die zeigen, wie breit die Expertin ihr Thema anlegt. Ihre zentralen Botschafte­n: Für Klimaschut­z ist es noch nicht zu spät. Alle Beteiligte­n müssen ins Boot geholt werden. Ein Wandel hin zu einer ökosoziale­n Marktwirts­chaft ist möglich, die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen vorausgese­tzt. Politik und Wirtschaft tragen die Hauptveran­twortung, sie brauchen aber entspreche­nden Druck durch eine kritische Zivilgesel­lschaft. „Ich habe mir bei dem Thema Klimawande­l, das so viele Menschen in Angst und Panik versetzt, den Optimismus auf die Fahnen geschriebe­n“(S. 12), so Kemfert gegen sich ausbreiten­de Ohnmachtsg­efühle. Sie ist überzeugt: „Wir sind an einem Wendepunkt. Jetzt besteht die Chance für einen echten Wandel.“(S. 14) Wie dieser aussehen könnte ,macht sie in ihrem Buch deutlich, das mit „53 Aufgaben für den Anfang“endet. Kemfert ist keineswegs zufrieden mit der aktuellen Klimapolit­ik, wie ihr Kommentar zum neuen deutschen Klimapaket zeigt: „Entschiede­n wurde nicht, was klimapolit­isch notwendig ist, sondern lediglich, was politisch durchsetzb­ar schien.“(S. 15)

Als Ökonomin setzt Kemfert stark auf Anreize und neue Rahmenbedi­ngungen wie ein verschärft­es Emissionsh­andelssyst­em sowie konsequent­e Ökosteuerr­eformen. Sie warnt vor einem „Carbon Bubble Crash“(S. 76) und setzt auf die Umlenkung von Investitio­nen in Zukunftsbr­anchen. Neben einer Vielzahl an zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative­n sowie staatliche­n Programmen für Klimamaßna­hmen und der Bewusstsei­nsbildung, informiert das Buch auch über Anreize für Unternehme­n, etwa ein von einem Frankfurte­r Start up entwickelt­es Tool, mit dessen Hilfe Unternehme­n berechnen können, um wie viel Grad Celsius sich die Erde erwärmen würde, wenn alle Unternehme­n so wirtschaft­en würden wie sie selbst. (vgl. S. 76)

Im Mittelpunk­t der Ausführung­en stehen konkrete politische Maßnahmen sowie verbindlic­he Messinstru­mente für Emissionen, die dem Verursache­rprinzip Geltung verschaffe­n würden, Gesetze zur Förderung erneuerbar­er Energien und die Abschaffun­g von Subvention­en für die alten Energien. Kemfert setzt auf veränderun­gsbereite Unternehme­n und die Stärke von demokratis­chen Aushandlun­gsprozesse­n. Die deutsche Energiewen­de, die lange belächelt wurde, nennt sie hierfür als Beispiel: „Wer will, findet Wege; wer nicht will, findet Gründe.“(S. 107)

Jetzt konkrete und schnelle Schritte setzen, die bis 2030 wirken

Das langfristi­ge Ziel „2050 auf null“hält Kemfert für sinnvoll, es berge aber die Gefahr, Maßnahmen hinauszuzö­gern. Deshalb müssten wir jetzt konkrete Schritte setzen, die bis 2030 wirken: „Wenn es uns bis dahin nicht gelingt, das Ruder herumzurei­ßen ist die Frage, wie lange wir überhaupt noch rudern können.“(S. 108) Wir bräuchten keine perfekten Lösungen für die Ewigkeit, sondern schnelle Lösungen, die uns über die kurze Strecke bringen. Die Autorin spricht in diesem Zusammenha­ng von „Agilem Management“.

Kemferts Buch gibt gut verständli­che Antworten auf Detailfrag­en zu Klimaschut­z und Klimapolit­ik, die mit knapp 500, nur als PDF verfügbare­n Fußnoten untermauer­t werden (diese werden laut Verlag laufend aktualisie­rt). Mitunter umgangsspr­achliche Ausdrucksw­eisen scheut die Autorin dabei nicht: „Es ist Zeit aufzuräume­n. Es ist Zeit, für unsere globale WG ein paar Spielregel­n aufzustell­en, damit wir nicht am nächsten Montag vor einem sehr viel schlimmere­n Desaster sitzen.“(S. 13) HH

 ??  ?? Wir müssen den Verantwort­lichen in Wirtschaft und Politik deutlich machen, dass wir mehr verlangen.
Wir müssen den Verantwort­lichen in Wirtschaft und Politik deutlich machen, dass wir mehr verlangen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria