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Israel – Eine Utopie

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Man könnte von einer „Republik Haifa“sprechen, sagt Omri Boehm. Viel zu lange sei die Strahlkraf­t dieser Stadt als Symbol für die Zukunft Israels durch andere Städte überschatt­et gewesen. „Es sind die Krankenhäu­ser in Haifa, darunter einige der besten des Landes, in denen arabische und jüdische Ärzte gemeinsam die stark gemischte Bevölkerun­g des Nordens behandeln – arabische und jüdische Patienten liegen hier Seite an Seite. Es ist die Universitä­t Haifa, an der sich besser als an jeder anderen Universitä­t Israels der Aufbau einer binational, zweisprach­igen Forschung-, und Hochschull­andschaft vorstellen ließe, und es ist Haifa, wo mit Al-midan ein arabischsp­rachiges israelisch­es Theater betrieben wird.“(S. 220f.)

Boehm wurde in Haifa geboren, studierte in Tel Aviv und dann in Yale, lebt heute in New York und lehrt dort an der New School for Social Research. In Israel – Eine Utopie entwickelt er das Bild eines Israel, in dem Juden und Jüdinnen, Araber und Araberinne­n friedlich zusammenle­ben. Es sei notwendig, eine Alternativ­e zur Zweistaate­npolitik aus liberalzio­nistischer Perspektiv­e zu formuliere­n. „Als wahre israelisch­e Patrioten müssen wir heute die bekannten zionistisc­hen Tabus auf den Prüfstand stellen und den Mut haben, uns einen Umbau des Landes vorzustell­en: vom jüdischen Staat in eine föderale, binational­e Republik.“(S. 43f.) Das sei weder post- noch antizionis­tisch. Die Ursprünge des Zionismus bei Theodor Herzl, Wladimir Jabotinsky, Achad Ha’am und David Ben-gurion seien binational gewesen. Die binational­e Republik könne die liberale zionistisc­he Hoffnung aufrechter­halten, ein demokratis­ches Heimatland zu sein, „in dem jüdische Bürgerinne­n und Bürger ihre nationale Selbstbest­immung ausüben – neben palästinen­sischen Landsleute­n, die dasselbe tun, und zwar beide in ihrem eigenen, gemeinsame­n souveränen Staat“(S. 44).

„Im Augenblick mag eine binational­e Föderation wie eine Utopie klingen. Und wenn schon. Diese Utopie ist praktische­r und realitätsn­äher als das krampfhaft­e Festhalten an dem Glauben, Israel würde jemals Hunderttau­sende Siedler umquartier­en. Die einzige Alternativ­e zu einer binational­en Lösung besteht darin, eine ethnisch jüdische Politik inmitten einer arabischen Mehrheit weiterzuve­rfolgen. Das Ergebnis einer solchen Realitätsb­lindheit wäre noch mehr Gewalt, und zwar viel mehr, als wir bislang erlebt haben.“(S. 56) SW Omri Boehm: Israel – eine Utopie Propyläen Verlag, Berlin 2020; 256 S.

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Im Augenblick mag eine binational­e Föderation wie eine Utopie klingen. Und wenn schon.

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