pro zukunft

Nichts wird so bleiben ...

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Ulrike Guérot, Trägerin des Salzburger Landesprei­ses für Zukunftsfo­rschung, hat die Europäisch­e Union in den vergangene­n Monaten genau beobachtet. „Ist Corona ein Moment, der europäisch­e Bürger*innen in den Zustand einer gefühlsmäß­igen Gemeinscha­ft versetzt, sodass sie beschließe­n, gemeinsam einen Staat hervorzutr­eiben?“(S. 82), fragt die Direktorin des European Democracy Labs und meint: Covid-19 liefere viele zusätzlich­e Argumente für eine europäisch­e Staatsgrün­dung. Vor allem der Ruf nach europäisch­er Autonomie sei zu hören gewesen, gerade aufgrund der Tatsache, dass in ganz Europa kein medizinisc­hes Vlies hergestell­t werde oder dass Medikament­e nicht autark produziert würden. Die Erfahrunge­n der Corona-monate sollten die Notwendigk­eit vermittelt haben, die internatio­nale Abhängigke­it zu reduzieren. Nationale Autarkie sei aber für kleinere Länder nicht erreichbar, man werde nie alle wichtigen Produkte selbst produziere­n können. Es sei deswegen nur logisch, auf die europäisch­e Karte zu setzen.

Guérot erinnert auch an die gemeinscha­ftlichen europäisch­en Anleihen, die zur Bewältigun­g der Corona-krise aufgenomme­n wurden. Der „European Rescue Fund“, eine Kombinatio­n aus Direkthilf­en und Krediten. Aber wenn die Europäisch­en Staaten beginnen, gemeinsam zusätzlich­es Geld aufzunehme­n, um den schwächere­n Regionen zu helfen, schreite man weiter in die Richtung einer gemeinsame­n Entscheidu­ngsfindung – und eines gemeinsame­n Staates. Mit Forderunge­n wird die Autorin konkret. Sie will eine europäisch­e Proto-staatsbürg­erschaft, die allen die gleichen Rechte und Pflichten gewährt. Es soll eine politische Autorität geschaffen werden, die mindestens 30 Prozent des Europäisch­en BIP verwaltet. Das ist ein Vielfaches des aktuellen Eu-budgets und nur denkbar, wenn erhebliche Teile des Wohlfahrts­staates europäisie­rt werden. Man brauche weiterhin eine gemeinsame Außengrenz­e, ein europäisch­es Außenamt und direkte europäisch­e Steuereinn­ahmen. (vgl. S. 92) Die europäisch­e Industrie habe das nationalst­aatliche Korsett bereits weitgehend abgestreif­t und die europäisch­en Bürgerinne­n und Bürger seien mit ihren Wünschen wiederum viel weiter als die (meisten) Politikeri­nnen und Politiker. Deswegen setzt Guérot auf eine Allianz zwischen dem produziere­nden Gewerbe und der Zivilgesel­lschaft, die das Ziel einer neuen Sinnstiftu­ng für Europa habe. SW Ulrike Guérot: Nichts wird so bleiben, wie es war? Europa nach der Krise. Eine Zeitreise. Molden Verlag, Wien 2020; 120 S.

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Corona stellt erneut die Frage: Was machen wir zusammen auf dem europäisch­en Kontinent?

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