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Ökonomie für den Menschen

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Der Ökonom, Philosoph und Nobelpreis­träger Amartya Sen konzentrie­rt sich in Ökonomie für den Menschen auf die Rolle der Freiheit im Entwicklun­gsprozess von Staat und Wirtschaft. Der Kernthese des Buchs folgend, basiert Entwicklun­g immer auf Freiheiten, die „unmittelba­r, um ihrer selbst willen als Werte gelten“und die „nicht mittelbar bezüglich ihrer Auswirkung­en auf die Wirtschaft gerechtfer­tigt werden müssen.“(S. 28) Freiheit ist für Sen die Voraussetz­ung zu handeln, jedwede Form ihrer Weiterentw­icklung erhöht Handlungsm­öglichkeit­en. Dabei wird zwischen Freiheit als oberstem Ziel (konstituti­ve Funktion) und als wichtigste­m Mittel (instrument­elle Funktion) der Entwicklun­g unterschie­den. Während sich Freiheit in ihrer konstituti­ven Funktion auf elementare Bedürfniss­e bezieht – wie die Fähigkeit, Hunger oder Krankheit zu vermeiden –, verweist sie in ihrer instrument­ellen Funktion unter anderem auf politische Freiheiten, ökonomisch­e Einrichtun­gen oder soziale Chancen. Beide Typen haben das Potential, sich laufend zu entwickeln und so die Freiheit der Individuen zu erweitern – dem letztgenan­nten ist allerdings ein größerer Handlungss­pielraum inhärent, einfach, weil sich die subsumiert­en Faktoren wechselsei­tig bestärken.

Geprägt von einer Hungerkata­strophe während seiner Kindheit in Indien, kommt der Philosoph auf das Problem globaler Hungersnot zu sprechen, um damit den Wert einer Demokratie und die daraus resultiere­nden Freiheiten besonders anschaulic­h zu illustrier­en. Vor allem der öffentlich­e Diskurs und die politische Opposition hätten nach Sen die Möglichkei­t, Machthaben­de zum Handeln zu bewegen und Systemverä­nderungen anzustoßen.

Das Buch zeigt, mitunter geprägt von der „Idee eines auf Vernunft begründete­n sozialen Fortschrit­ts“(S. 331), anhand von Studien erfolgreic­he Strategien zur Bewältigun­g von Ungleichhe­it auf. Wenngleich die englischsp­rachige Originalau­sgabe bereits aus dem Jahr 1999 stammt, lohnt es, sich mit Sens Gedanken auseinande­rzusetzen. Denn ohne Zweifel ist er ein Vordenker, der sich – wie der Friedenspr­eis des deutschen Buchhandel­s 2020 schrieb – „seit Jahrzehnte­n mit Fragen der globalen Gerechtigk­eit auseinande­rsetzt und dessen Arbeiten zur Bekämpfung sozialer Ungleichhe­it in Bezug auf Bildung und Gesundheit heute so relevant sind wie nie zuvor“. CBA Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen Wege zu Gerechtigk­eit und Solidaritä­t in der Marktwirts­chaft. Carl Hanser Verlag, München 2020; 424 Seiten

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