pro zukunft

Sinews of War and Trade

- Laleh Khalili Laleh Khalili: Sinews of War and Trade. Shipping and Capitalism in the Arabian Peninsula. Verso, London 2020; 368 Seiten

Als das Containers­chiff „Ever Given“im März 2021 im Sueskanal auf Grund lief und ihn fast eine Woche lang blockierte, ist die globale Schifffahr­t und ihre zentrale Bedeutung für den Welthandel in den Blick der internatio­nalen Öffentlich­keit geraten. Dabei wurde für viele Menschen im Westen zum ersten Mal offenbar, wie sehr unser Lebensstil vom reibungslo­sen – und für die meisten unsichtbar­en – Ablauf des maritimen Handels abhängt.

Laleh Khalili, Professori­n für Internatio­nale Politik an der Queen Mary Universitä­t in London, ergründet in ihrem Buch die Parallelwe­lt der gigantisch­en Containers­chiffe, streng gesicherte­r Frachthäfe­n und glitzernde­r Bürotürme in arabischen Planstädte­n. Für ihre tiefgründi­ge Recherche über die Schifffahr­tsindustri­e in Arabien war sie selbst monatelang an Bord von Containers­chiffen und in schwer zugänglich­en Hafenanlag­en. Das Ergebnis ist eine spannende Analyse der Verflechtu­ngen von multinatio­nalen Unternehme­n, arabischen Despoten und internatio­nalen Regierunge­n, die miteinande­r um Profit und geopolitis­chen Einfluss ringen. So werden Häfen nicht nur gebaut, um Kapazitäts­engpässe zu beheben, sondern auch um rivalisier­enden Staaten das Geschäft abzugraben. Die meisten Unternehme­n der Industrie sind entweder Staatskonz­erne oder wurden als solche gegründet und kooperiere­n immer noch eng mit ihren Mutterregi­erungen.

Die Folgen der modernen Schifffahr­t

Anhand von ausführlic­hen geschichtl­ichen Erläuterun­gen, eigenen Erlebnisse­n und interessan­ten Anekdoten gibt Laleh Khalili auch Einblick in die komplexen Abläufe der Schifffahr­tsindustri­e. Dabei beschreibt sie vor allem auch die negativen Folgen der modernen Schifffahr­t, etwa die Umweltschä­den durch den Bau immer größerer Hafenanlag­en und die Verbrennun­g von Schweröl, die Zerstörung von traditione­llen Gemeinscha­ften im Hinterland der Häfen sowie die oftmals menschenun­würdigen Arbeitsbed­ingungen der Hafenarbei­ter:innen und Seeleute.

Über einen vorherrsch­enden Neokolonia­lismus in der Branche

Ein besonderer Aspekt, der sich durch das ganze Buch zieht und zum Nachdenken anregt, ist der vorherrsch­ende Neokolonia­lismus in der Branche. Laleh Khalili zeigt, wie die multinatio­nalen Konzerne, in deren Besitz sich viele Häfen und Reedereien befinden, eng mit westlichen Regierunge­n zusammenar­beiten. So sind etwa die Satzungen der internatio­nalen Schiedsger­ichte, die Konflikte zwischen Konzernen und Staaten des globalen Südens lösen sollen, von westlichen Diplomaten als Kompensati­on für den Machtverlu­st in Folge der Dekolonisa­tion entworfen worden. Die staatliche Souveränit­ät ist in Häfen und den häufig dort angrenzend­en Zollfreige­bieten oft durch Pachtvertr­äge mit jahrzehnte­langer Laufzeit stark eingeschrä­nkt. Im Gegenzug unterstütz­en die Schifffahr­tskonzerne „ihre“Regierunge­n bei der Durchsetzu­ng wirtschaft­licher Sanktionen. Westliche Militärs nutzen die Häfen im globalen Süden zudem als Basis für geopolitis­chen Einfluss und Kriegsvorb­ereitungen.

Laleh Khalilis Buch bietet einen umfassende­n, gut recherchie­rten und spannend beschriebe­nen Überblick über eine Industrie, die selten beachtet wird, aber ein grundlegen­der Baustein der Globalisie­rung ist. YS

 ??  ?? In all, this book makes a case that mercantile histories, colonial pasts, and the stories of empires of free trade indelibly shape today’s shipping practices.
In all, this book makes a case that mercantile histories, colonial pasts, and the stories of empires of free trade indelibly shape today’s shipping practices.

Newspapers in German

Newspapers from Austria