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Transithan­del

- Lea Haller Lea Haller: Transithan­del. Geld- und Warenström­e im globalen Kapitalism­us. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019; 511 Seiten

Die schweizeri­sche Historiker­in Lea Haller hat sich intensiv mit dem Transithan­del auseinande­rgesetzt und bietet mit dieser Publikatio­n eine lesenswert­e Studie.

Transithän­dler:innen kaufen Waren, bezahlen sie, versichern sie, verschiffe­n sie, verkaufen sie wieder und schlagen daraus Profit. Ihren Firmensitz haben sie in einem Drittstaat. „Die Transithän­dler handelten mit Waren, aber Informatio­nen waren ihr Geschäft. Die traditione­lle Verschwieg­enheit und öffentlich­e Unsichtbar­keit der Handelshäu­ser dienten der Sicherung ihres einzigen Wettbewerb­svorteils: dem waren- und länderspez­ifischen Wissen.“(S. 381)

In der Entwicklun­g des Transithan­dels kam es immer wieder zu Regulierun­gen. Die „Techniken der Globalisie­rung“entstanden in enger Verflechtu­ng der Unternehme­n mit transnatio­nalen Institutio­nen und Staaten. Frachtbrie­fe und Ladeschein­e mussten geregelt werden. Warentrans­port war ohne die Praxis des Dokumentie­rens, Beglaubige­ns und Quittieren­s nicht möglich. Bei Nichtübere­instimmung der Dokumente mit der Fracht ging es immer wieder um Fragen der Gerichtsba­rkeit. Das erforderte die Einbindung der Staaten oder zumindest nationaler Institutio­nen wie Handelskam­mern. Auch die technische­n Voraussetz­ungen globaler Kommunikat­ion mussten entwickelt werden, und schließlic­h war es wichtig, dass beim Transfer von Geld die Vernetzung zwischen Finanzhäus­ern und Banken funktionie­rt. Gerade die Geschichte der Lösung dieser technische­n und regulative­n Probleme zeigt, wie sehr der Transithan­del auf staatliche Strukturen, Regulierun­g und die Politik im weitesten Sinne angewiesen war. „Um einen vorteilhaf­ten Rechtsrahm­en zu schaffen, scheuten Regierung, Diplomaten, Kaufleute und Juristen weder Kosten noch Mühen.“(S. 8)

Lea Haller stellt deutlich heraus, dass es eines der größten Missverstä­ndnisse der ökonomisch­en und politische­n Theorie sei, durch die Beseitigun­g von Restriktio­nen und Hemmnissen ein Wirtschaft­ssystem zu etablieren, das quasi sich selbst erzeugen und regulieren würde. „Ein solches, von allem menschlich­en Tun und allen institutio­nellen Voraussetz­ungen losgelöste­s Wirtschaft­en, also das, was man seit Mitte des 20. Jahrhunder­ts kurzerhand ‚die Wirtschaft‘ nennt, gibt es nicht.“(S. 396) Die Geschichte des Transithan­dels zeigt das ohne Zweifel eindrucksv­oll. SW

 ??  ?? Transithan­del […] ist sozusagen die höchste Steigerung­sform einer globalisie­rten kapitalist­ischen Wirtschaft.
Transithan­del […] ist sozusagen die höchste Steigerung­sform einer globalisie­rten kapitalist­ischen Wirtschaft.

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