pro zukunft

Die Kunst der Zukunft

- Hanno Rauterberg

Kann Künstliche Intelligen­z Kunst? Das ist die erste Frage, die sich Autor und Leser:innen in Hanno Rauterberg­s Auseinande­rsetzung stellen. Ausgestalt­et mit schier unzählbare­n Beispielen, kunsthisto­rischen Ausflügen und befürworte­nden wie kritischen Stimmen, bewegt man sich durch ein Labyrinth an Möglichkei­ten, in dem wahrlich Orientieru­ngsverlust droht, bis Rauterberg auf einen möglichen Ausweg mit der Schlussfol­gerung weist, dass bei KI eine schwache Form der Kreativitä­t vorliege. Doch während Künstler:innen sich für diese Form entscheide­n könnten, bliebe der Maschine (noch) keine andere Wahl.

Hochphilos­ophisch und voraussetz­ungsreich folgen Annahmen und Konsequenz­en des Traums einer kreativen Maschine und dem damit einhergehe­nden Traum des anderen Menschen – durch digitale Technik mächtiger denn je, ohne aber Verantwort­ung dafür übernehmen zu müssen. Eindrückli­ch führt Rauterberg durch diesen zweiten, umso komplexere­n Irrgarten, vermittelt die Paradoxa der digitalen Moderne, die schizophre­n Freiheit und Kontrolle, Privatheit und absolute Öffentlich­keit miteinande­r verwebt und damit Werte wie Freiheit, Autonomie und Authentizi­tät der Kunst ad absurdum führt. Er beschreibt die Utopie der Trans- und Posthumani­st:innen, die eine postdualis­tische Zukunft schildern, in denen sich Mensch, Natur und Technik entgrenzen; in denen das Subjekt keine Existenzbe­rechtigung mehr hat.

Die kreative Maschine erzeugt nach Rauterberg zugleich Immanenz und Transzende­nz, indem sie einerseits der Logik der Kontrolle und absoluten Ausrechenb­arkeit folgt, anderersei­ts der Logik diesem selbstvero­rdneten Zwang zu entgehen, um über sich selbst hinauszuwe­isen können. In der Vision der Transhuman­ist:innen erkennt der Autor aber auch, dass es am Ende eben eine menschlich­e Maschine sein wird, die Kunst erzeugt: „Je weiter sich der Mensch maschinisi­ert, desto tröstliche­r wird der Gedanke, Maschinen könnten etwas von Kunst verstehen. Dann wüssten sie, was Verletzlic­hkeit bedeutet und was Unzulängli­chkeit, sie wüssten um die Schönheit des nicht Vollendete­n und um die Freiheit.“(S. 195) Ob dieser erneute Fingerzeig zu einem potenziell­en Labyrintha­usgang nun tatsächlic­h den inneren Widerstand auflöst, der fortwähren­d bei diesem suchenden Spaziergan­g zu spüren war? Die Antwort dazu fällt unsicher aus. DS

Hanno Rauterberg: Die Kunst der Zukunft Über den Traum von der kreativen Maschine. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021; 195 Seiten

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Künstliche Intelligen­z ist zu einer zentralen Leitidee der Gegenwart geworden. Sie steht für eine andere Form des Fortschrit­ts.

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