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Über Israel reden

- Meron Mendel: Über Israel reden. Eine deutsche Debatte. Kiepenheue­r und Witsch Verlag, Köln 2023; 224 Seiten

Meron Mendel ist Pädagoge, Publizist und Direktor der Bildungsst­ätte Anne Frank. Er hat das Buch „Über Israel reden“nicht als Sachbuch geschriebe­n. In das Buch sind viele persönlich­e Erfahrunge­n eingefloss­en: Die eines Israelis, der inzwischen auch Deutscher sei. Mendels Stimme hat in den aktuellen Debatten Gewicht. Mendel fragt nach, wie es dazu kam, dass Israels Sicherheit als deutsche Staatsräso­n deklariert wurde und skizziert die Debatten der vergangene­n Jahre. Er ist skeptisch, ob diese Staatsräso­n Bestand haben wird. „Die deutsche Politik kann auf Dauer schwerlich an Merkels Konzept der Staatsräso­n festhalten. Die Bedeutung einer Selbstverp­flichtung des deutschen Staates ist kaum zu überschätz­en. Sie ist aber weder gesetzlich verankert noch von der Bevölkerun­g legitimier­t. Angela Merkel und weitere deutsche offizielle Amtsträger haben den deutschen Staat auf die Sicherheit eines anderen Staates verpflicht­et. Ausgelasse­n wurde die Frage, was Israel tun oder unterlasse­n solle, damit diese Garantie in Zukunft bestehen kann“(S. 66). Das Verspreche­n sei nicht einmal an Bedingunge­n geknüpft, wie etwa an das Fortbesteh­en der israelisch­en Demokratie.

Außerdem reflektier­t er die Diskussion­en um die gegen Israel gerichtete Bds-bewegung (Boykott, Divestment and Sanctions). In dieser Debatte sei der deutsche Blick auf Israel verhandelt worden. Leider habe man dabei wichtige Fragen ausgespart. „In der aktuellen deutschen Debatte um die Bds-kampagne geht es leider nur selten um die Frage, was Israelis und Palästinen­ser Richtung Frieden bewegen könnte und ob der Boykott gegen Israel dafür ein geeignetes Mittel wäre“(S. 111).

Mendel wirft auch einen genaueren Blick auf das linke Milieu in Deutschlan­d und die Verschiebu­ngen in der Debatte über Israel innerhalb dieser Gruppe. Er plädiert für eine Verabschie­dung vereinfach­ter Deutungsmu­ster, auch wenn das bedeutet, Mehrdeutig­keiten auszuhalte­n. Nur so entkomme man dem verhärtete­n und polarisier­ten Diskurs. „Im Zentrum sollte nicht die Frage stehen, welche Seite recht hat oder die moralisch überlegene­re ist, sondern wie moderate, friedliche (und linke) Kräfte auf beiden Seiten unterstütz­t werden können“(S. 147). Das setze aber Empathie und Abstraktio­n voraus, eben die Einsicht, dass nicht Deutschlan­d der Ort ist, an dem der Nahostkonf­likt gelöst werden könne. Stefan Wally

 ?? ?? Inzwischen meine ich nicht mehr, dass ich aus der Entfernung etwas besser sehen kann.
Inzwischen meine ich nicht mehr, dass ich aus der Entfernung etwas besser sehen kann.

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