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Später Erfolg

- INTERVIEW • CORDULA REYER FOTOS • WALTER PFEIFFER

Erst mit Mitte 50 hatte er den Durchbruch, ist internatio­nal gut gebucht als Fotograf. Der Schweizer Walter Pfeiffer im Gespräch.

Grafiker und Fotograf Walter Pfeiffer erzählt, warum er froh ist, dass der große Erfolg erst spät in seinem Leben kam, und warum er ohne Konzept ans Set geht.

Es ist ein regnerisch-kühler Nachmittag in Zürich. Walter Pfeiffer betritt das Lokal, schält sich aus drei Schichten Gewand, setzt sich, bestellt einen Kaffee und plaudert ungefragt los. Er erzählt, dass gerade seine Kleidersta­nge gebrochen ist, weil er sich schlecht von alter Kleidung trennen kann. Dann singt er beschwingt „Wien, Wien, nur du allein“. Der Schweizer Grafiker und Fotograf ist letzte Woche 73 geworden. „Ich brauche junge Menschen, damit ich selber jung bleibe in meiner Arbeit“, erklärt Pfeiffer, der dank seines Lehrauftra­gs an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich stets in Kontakt mit der Jugend steht. Und als Fotograf ist Walter Pfeiffer internatio­nal gefragt und gut gebucht. Am Vortag kam er aus Mailand zurück, wo er Francesco Risso, den neuen Designer von Marni, und seine Crew fotografie­rte. Solche Aufträge bekommt Pfeiffer erst seit relativ kurzer Zeit. Obwohl er schon seit den 1970er-Jahren künstleris­ch tätig ist, kam der Durchbruch erst mit mehr als 50 Jahren.

Überlegen Sie manchmal, wie es gewesen wäre, wenn Sie schon mit dreißig Jahren großen Erfolg gehabt hätten?

Das wäre grauenhaft gewesen! Ich sehe viele Schüler von mir, die Karriere als Künstler machen. Sie kommen schnell ganz nach oben. Fünf Jahre später heißt es dann „Der Nächste bitte!“. Das wollte ich nie sein – der Nächste. Ich wollte verschwind­en, wieder kommen, verschwind­en. Und jetzt bin ich da.

Wie unterschei­det sich Ihr Werdegang von dem eines Shootingst­ars?

Ich war „nur“der Illustrato­r, während einige meiner Freunde schon Star-Künstler waren. Ich tanzte auf mehreren Hochzeiten. Ich machte Plakate, drehte Filme, fotografie­rte, malte, zeichnete und schrieb sogar ein Theaterstü­ck. Das war früher gar nicht üblich. Ein Fehler, der sich rückblicke­nd als gut herausstel­lte. Der Erfolg kam mit dem Buch Welcome Aboard, das 2000 erschien. Das Buch ist eine Zusammenst­ellung meiner FotoArbeit­en von 1980–2000.

Und von da an ging es bergauf mit Ihrer Karriere?

2000 bis 2006 waren meine späten Lehr- und Wanderjahr­e: Ich nahm jeden Foto-Job an, um zu lernen, auch kleine Aufträge wie etwa eine Weihnachts­karte für eine Hemdenfirm­a. 2006 fragte mich das i-D-Magazin, ob ich für sie ein paar T-Shirts fotografie­ren würde. Statt der T-Shirts kam ein Koffer voll mit Marc-Jacobs-Teilen. Ich hatte keinen Stylisten und wusste damals noch nicht mal, was das ist. Ich hab meine Schüler angerufen, die sind zu mir nach Hause gekommen, haben mir geholfen und für mich gemodelt. Wie immer arbeitete ich so einfach wie möglich. Beim i-D-Magazin war man total begeistert von den Bildern und brachte zehn Seiten. Es hätte auch in die Hose gehen können.

Konzipiere­n Sie sonst Ihre Shootings vorab?

Nie! Ich hasse das. Die Idee kommt vor Ort, wäh

rend der Arbeit. Ich muss frei sein, um kreativ zu sein. Mir ist auch wichtig, das Bild mit wenig Klicks im Kasten zu haben. Das kommt aus einer Notwendigk­eit heraus, da ich früher immer sparen musste. Als ich Eva Herzigowa für die Vogue fotografie­rte, brauchte ich nur zwei Schüsse. Die Redakteure konnten es nicht fassen.

1986 kam Ihr Buch „Das Auge, die Gedanken, unentwegt wandernd“heraus. Heute ist es kaum zu bekommen. Was macht es so besonders?

Es waren Porträts von jungen Männern, die ich in der Zeit von 1980–1986 fotografie­rt hatte. Das Buch mag heute vergriffen sein, damals hieß es jedoch, „das ist langweilig, immer nur Gesichter“. Der ganze Stil des Buches war so neu und anders – wie ein Film, ganze Seiten, ohne schöne Ränder, ein bisschen punkig.

Wie hat man damals auf die erotischen Bilder von jungen Männern reagiert?

Die Schweiz war sehr prüde in den 80er-Jahren. Mir wurde gesagt: „Du wirst noch in der schwulen Ecke landen, wenn du das so weitermach­st.“Schwul oder nicht, das ist mir egal. Ich wollte schöne Menschen fotografie­ren.

Sie sagten einmal, es gibt komplizier­te und nicht komplizier­te Gesichter. Was meinten Sie damit?

Ich habe vor kurzem die Tochter eines Mailänder Juweliers porträtier­t. Sie wollte ausschließ­lich von der rechten Seite abgelichte­t werden. Das ist komplizier­t, ebenso wie wenn man mit 27 Jahren schon stark gebotoxt ist. Wenn ich jemanden fotografie­re, ist es wichtig, dass mir die Person vertraut und sich hingibt. So kommt ein gutes Bild zustande.

Sind Sie enttäuscht, dass Sie mit der Fotografie erfolgreic­her wurden als mit Ihren Zeichnunge­n und der Malerei?

Mit dem Erfolg ist es so eine Sache. Viele sagten über mich: „Ah, der ist jetzt dummer Modefotogr­af.“Davor hieß es: „Ah, der ist bloß Grafiker.“ Fotografie war zunächst eine rein technische Unterstütz­ung für meine superreali­stische Malerei. Ich blies die Fotos auf und malte darauf. Irgendwann wollte ich die Personen lieber live vor mir haben, um sie zu zeichnen. Und dann wollte ich sie überhaupt nur noch fotografie­ren, da das viel unmittelba­rer ist.

Seit den 1970er-Jahren lehren Sie an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich. Anfangs hieß das Fach „Inspiratio­n“. Wie unterricht­et man das?

Das Fach war eigentlich Zeichnen, ich habe es aber Inspiratio­n genannt, damit ich auch zweimal im Jahr Videos und Inszenieru­ngen miteinbaue­n konnte. Inspiratio­n war ein Überbegrif­f. Man muss die Fantasie junger Menschen anregen, ihnen beibringen, einen eigenen Blick zu entwickeln. Ich stelle keine Regeln auf, sondern bringe Vorschläge. Meine Schüler müssen lernen, auch technisch Schwierige­s durchzuhal­ten. Wobei einem die ganze Technik nichts nützt, wenn man die Psychologi­e nicht beherrscht.

 ??  ?? Nicht nur im Buch „Scrapbooks 1969–1985“hat Walter Pfeiffer gut lachen. Mit 73 ist der Schweizer noch immer ein internatio­nal gefragter Grafiker und Fotograf.
Nicht nur im Buch „Scrapbooks 1969–1985“hat Walter Pfeiffer gut lachen. Mit 73 ist der Schweizer noch immer ein internatio­nal gefragter Grafiker und Fotograf.
 ??  ?? Walter Pfeiffer hat Fotografie­n, Polaroids und diverse Fundstücke von 1969 bis 1985 gesammelt ...
Walter Pfeiffer hat Fotografie­n, Polaroids und diverse Fundstücke von 1969 bis 1985 gesammelt ...
 ??  ?? ... und diese als bunte Kollage im Buch „Scrapbooks 1969–1985“zusammenge­fügt.
... und diese als bunte Kollage im Buch „Scrapbooks 1969–1985“zusammenge­fügt.
 ??  ?? Bekannt ist der Schweizer Künstler unter anderem für die erotischen Darstellun­gen junger Männer.
Bekannt ist der Schweizer Künstler unter anderem für die erotischen Darstellun­gen junger Männer.
 ??  ?? Momentaufn­ahmen aus Walter Pfeiffers künstleris­chem Schaffen, das neben Fotografie auch Grafik und Malerei umfasst.
Momentaufn­ahmen aus Walter Pfeiffers künstleris­chem Schaffen, das neben Fotografie auch Grafik und Malerei umfasst.

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