Ein Stummfilm kam, als hätten wir ihn gerufen
Die Verleihung von Preisen an Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren, Komponisten und andere an Filmproduktionen beteiligte Menschen dient zunächst der Unterhaltung aller Beteiligten und derer, die sich die Preisverleihung im Fernsehen anschauen. Ob Golden Globe oder Academy Award – man schaut gern zu, wie sich die Schönen und die plastisch Aufgespritzten ein Stelldichein geben, wie sie sich – zum Schein überrascht – freuen über die große Ehre und brav Danke sagen.
Zudem gibt so eine Ehrung aber auch Hinweise auf den Zustand der Gesellschaft, auf unser aller Grundbefindlichkeit. Da ist abzulesen und nachzuempfinden, wie wir uns mit einem Krieg, einer Krise, mit neuen gesellschaftlichen Phänomenen auseinandersetzen und diese bewältigen, auf dass sie uns nicht überwältigen.
Manchmal provoziert der Preisregen auf einen bestimmten Film Fragen, die sich vordergründig nicht gar so leicht beantworten lassen. Heuer ist es wieder einmal so weit. Weshalb, die Frage drängt sich auf, räumt ausgerechnet ein Stummfilm bei den Golden Globes genauso Preise ab, wie er beim Filmfestival in Cannes langanhaltende Ovationen erntete? Was macht ausgerechnet einen Film, der ohne gesprochenes Wort auskommt, so ganz besonders attraktiv, reizt so sehr zum Beifall? Noch dazu, wenn der Film ganz in der Tradition des Stummfilms ohne Farbe daherkommt und sich auf Schwarz-weiß, Hell-dunkel, Grau-grau beschränkt.
Eine von vielen möglichen Antworten auf diese Fragen dürfte die Sehnsucht dermenschen nach Klarheit und Echtheit sein, nach deutlichen Aussagen und nach dem Anreiz zum Selberdenken.
Wir erleben doch nahezu ständig einen unerträglichen Wortschwall. Überall wird geredet und geplaudert ohne Sinn, ohne Gedanken, ohne Inhalt. Das rasante Wachsen der Kommunikationskanäle macht es möglich, dass theoretisch jeder mit jedem und jede mit jeder zu jeder Zeit über jedes Thema reden und kommunizieren kann. Die Folge ist ein endloser Stromvon Gequatsche, der sich als akustische Umweltverschmutzung über die Welt ergießt. Ob das nun die Heißluftproduktion von Politikern ist oder der Unsinn, den Sportkommentatoren von sich geben, die permanente Verbaldiarrhöe von Besserwissern oder die Sucht, sich per Twitter, Facebook und SMS ohne Unterlass der Umwelt mitzuteilen – all das produziert ein ständiges und schwer erträgliches Hintergrundgeräusch zum Leben.
Keinwunder, dass in solcher Zeit ein Film Gefallen findet, der durch den Mangel an hörbarer Sprache das Hirn der Betrachter zur Arbeit zwingt.