Warum sich die EU einmischen muss
Endlich ist das Thema Ungarn dort angelangt, wo es hingehört, auf der obersten Bühne Europas. Kritik hilft einem Eu-partner.
Premier Viktor Orban muss sich für seinen umstrittenen Kurs vor dem Eu-parlament rechtfertigen. Die Europäische Kommission droht Budapest mit Klage wegen Verletzung der Eu-verträge. Das signalisiert, dass die inneren Zustände eines Mitgliedslandes, wenn sie so besorgniserregend sind wie jene in Ungarn, eine Angelegenheit aller Europäer sind.
Die Verve, mit der Europa jetzt den Problemfall Ungarn thematisiert, ist zugleich ein Eingeständnis, dass man bisher zu zögerlich auf die Symptome einer undemokratischen Entwicklung reagiert hat. Die Eu-kommission gab sich bei Orbans neuemmediengesetz mit geringfügigen Korrekturen zufrieden, die aber an der Knebelung der Pressefreiheit im Kern nichts änderten. Deswegen fühlte sich Ungarns Premier sicher, dass ihm Brüssel nicht mehr in den Arm fallen würde.
Das könnte auch diesmal Orbans Taktik sein: Mit Formelkompromissen dämpft er die Kritik der EU. Zugleich rechnet er damit, dass Brüssel davor zurückschreckt, einen Eu-partner an den Pranger zu stellen. Zum Beispiel mit Artikel 7 des Lissabon-vertrags, der die EU verpflichtet, die Rechte eines Mitgliedslandes auf Eis zu legen, sofern es gegen grundlegendewerte der Union verstößt.
Orban setzt darauf, dass Europas Parteien in dieser Frage keineswegs einig sind, wie die Spaltungslinien im Eu-parlament zeigen. Orban hat eine politische Parallelaktion gestartet: Einerseits zeigt er die Bereitschaft, mit Brüssel über strittige Punkte zu diskutieren. Andererseits stilisiert er sich als Opfer eines Eu-diktats und lässt regierungstreue Medien in Ungarn Stimmung gegen die EU machen. Er nimmt dabei in Kauf, dass das die rechtsradikale Jobbik-partei stark macht.
Aber es war überfällig, dass die EU-KOMmission Orban in die Schranken weist. Verfahren wegen Vertragsverletzung sind ein wirksames Druckmittel. Zuletzt hat Frankreich seine Gesetzgebung ändern müssen, um einer Klage wegen der rigorosen Abschiebung Tausender Roma zu entgehen. Ein noch stärkerer Hebel für die EU ist, dass Orban das Geld der Union braucht, um eine neue Staatspleite abzuwenden.