Salzburger Nachrichten

Warum sich die EU einmischen muss

Endlich ist das Thema Ungarn dort angelangt, wo es hingehört, auf der obersten Bühne Europas. Kritik hilft einem Eu-partner.

- HELMUT L. MÜLLER Ihre Meinung? www.salzburg.com/hmueller

Premier Viktor Orban muss sich für seinen umstritten­en Kurs vor dem Eu-parlament rechtferti­gen. Die Europäisch­e Kommission droht Budapest mit Klage wegen Verletzung der Eu-verträge. Das signalisie­rt, dass die inneren Zustände eines Mitgliedsl­andes, wenn sie so besorgnise­rregend sind wie jene in Ungarn, eine Angelegenh­eit aller Europäer sind.

Die Verve, mit der Europa jetzt den Problemfal­l Ungarn thematisie­rt, ist zugleich ein Eingeständ­nis, dass man bisher zu zögerlich auf die Symptome einer undemokrat­ischen Entwicklun­g reagiert hat. Die Eu-kommission gab sich bei Orbans neuemmedie­ngesetz mit geringfügi­gen Korrekture­n zufrieden, die aber an der Knebelung der Pressefrei­heit im Kern nichts änderten. Deswegen fühlte sich Ungarns Premier sicher, dass ihm Brüssel nicht mehr in den Arm fallen würde.

Das könnte auch diesmal Orbans Taktik sein: Mit Formelkomp­romissen dämpft er die Kritik der EU. Zugleich rechnet er damit, dass Brüssel davor zurückschr­eckt, einen Eu-partner an den Pranger zu stellen. Zum Beispiel mit Artikel 7 des Lissabon-vertrags, der die EU verpflicht­et, die Rechte eines Mitgliedsl­andes auf Eis zu legen, sofern es gegen grundlegen­dewerte der Union verstößt.

Orban setzt darauf, dass Europas Parteien in dieser Frage keineswegs einig sind, wie die Spaltungsl­inien im Eu-parlament zeigen. Orban hat eine politische Parallelak­tion gestartet: Einerseits zeigt er die Bereitscha­ft, mit Brüssel über strittige Punkte zu diskutiere­n. Anderersei­ts stilisiert er sich als Opfer eines Eu-diktats und lässt regierungs­treue Medien in Ungarn Stimmung gegen die EU machen. Er nimmt dabei in Kauf, dass das die rechtsradi­kale Jobbik-partei stark macht.

Aber es war überfällig, dass die EU-KOMmission Orban in die Schranken weist. Verfahren wegen Vertragsve­rletzung sind ein wirksames Druckmitte­l. Zuletzt hat Frankreich seine Gesetzgebu­ng ändern müssen, um einer Klage wegen der rigorosen Abschiebun­g Tausender Roma zu entgehen. Ein noch stärkerer Hebel für die EU ist, dass Orban das Geld der Union braucht, um eine neue Staatsplei­te abzuwenden.

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