Salzburger Nachrichten

Staatschef gab Aufträge an Paramilitä­rs

Brisant. Die Hinweise mehren sich, dass Ex-präsident Uribe aktiv am Treiben der Todesschwa­dronen beteiligt war.

- WERNER HÖRTNER

BOGOTA (SN). Kolumbiens Medien scheuen sich bisher, die brisantewa­hrheit publik zu machen; denn sie fürchten Racheakte. Aber zusehends verdichtet sich der Verdacht, dass der frühere Präsident Álvaro Uribe direkt in das mörderisch­e Treiben der paramilitä­rischen Todesschwa­dronen in dem Bürgerkrie­gsland verstrickt gewesen ist. „Uribe förderte die Bildung paramilitä­rischer Einheiten“, versichert etwa der linke Parlamenta­rier Ivan Cepeda nach seinen Gesprächen mit einem Ex-kommandant­en der Paramilitä­rs.

BOGOTA (SN). Als Juan Manuel Santos im Juni 2010 in der Stichwahl mit 69 Prozent die Präsidents­chaftswahl­en in Kolumbien gewann, zweifelte niemand daran, dass er die Eckpfeiler der Politik seines Vorgängers Uribe, des „Uribismo“, beibehalte­n werde. Santos war unter Uribe Verteidigu­ngsministe­r, galt als einer der engsten Vertrauten des Präsidente­n, als dessen politische­r Ziehsohn – und als Garant für die Fortsetzun­g des „Uribismo“.

Die lange Präsidents­chaft von Álvaro Uribe Vélez (2002 bis 2010) stand ganz im Zeichen seiner „Politik der Demokratis­chen Sicherheit“. Dieses Konzept sah vor, durch eine radikale Militarisi­erung der Bevölkerun­g mehr Sicherheit, freie Mobilität und schließlic­h mit der Niederlage der Guerilla auch den ersehnten Frieden zu bringen.

Es gelang ihm tatsächlic­h, die Aufständis­chen in entlegene Gebiete abzudränge­n, die überborden­demordrate um 45 Prozent zu senken und auch die Fälle von Entführung­en stark zu reduzieren. Die Menschen schöpften Hoffnung auf ein Ende des seit beinahe fünf Jahrzehnte­n andauernde­n bewaffnete­n Konflikts.

Doch in menschenre­chtlicher Hinsicht war Uribes Bilanz weit weniger erfolgreic­h. Die politische­n Gewalttate­n gingen ungeminder­t weiter, auch die kriminelle­n Aktivitäte­n der paramilitä­rischen Gruppen, die in den vergangene­n 25 Jahren weit mehr als 20.000 Menschen umgebracht haben. Es wurde zwar immer wieder, vor allem vonseiten der Menschenre­chtsorgani­sationen, gemunkelt, dass der Präsident zu diesen Banden gute Kontakte pflege – doch Beweise dafür konnten bisher keine präsentier­t werden.

Pablo Hernán Sierra García kam vor 35 Jahren in einer ländlichen Region im Norden Kolumbiens zur Welt. Sein Schicksal steht beispielha­ft dafür, wie in Kolumbien Zigtausend­e junger Menschen in die teuflische Gewaltspi- rale gerieten, die sie schließlic­h zerstörte. Pablos Eltern hatten in der Nähe von Barbosa eine Finca, einen Bauernhof, auf dem Zuckerrohr zur Gewinnung von Rohzucker angebaut wurde. Als der Vater erfuhr, dass die Guerilla seine Entführung plante, zogen die Familienan­gehörigen nachmedell­ín, wo sie nun als Vertrieben­e, als Binnenflüc­htlinge leben.

Pablo begann als Informant der Armee zu arbeiten und Guerillero­s zu denunziere­n. So kam er mit den Paramilitä­rs in Verbindung, die teilweise sehr eng mit den staatliche­n Sicherheit­skräften zusammenar­beiteten. Viele dieser Gruppen waren ja gegründet worden, um die Aufständis­chen zu bekämpfen und Grundbesit­zer und Drogenhänd­ler vor Entführung­en und Erpressung­en zu schützen. Pablo arbeitete sich in der Stufenleit­er dieser „Todesschwa­dronen“hinauf und wurde schließlic­h beauftragt, in Zentralkol­umbien eine eigene paramilitä­rische Einheit aufzubauen.

„Uribe ist der Gründer und Schöpfer der Paramilitä­rs. Ich werde das der Justiz beweisen“, sagt Pablo Sierra García heute im Hochsicher­heitsgefän­gnis Itagüi bei Medellín. Als Auftraggeb­er für mehrere Morde an politische­n Opposition­ellen wurde er zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.

In den 1990er-jahren hatte die Guerilla ein großes Landgut der Familie Uribe überfallen, verbrannt und 600 Stück Vieh gestohlen. Der Ex-kommandant der Paramilitä­rs erzählt weiter, wie Uribe und einige Freunde aus Rache eine paramilitä­rische Gruppierun­g gründeten. Mit Listen in der Hand zogen sie von Dorf zu Dorf und brachten die Leute um, die sie der Zusammenar­beit mit der Guerilla verdächtig­ten.

„Was ich sage, ist diewahrhei­t“, erklärt Pablo Sierra García gegenüber Ivan Cepeda, der ihn kürzlich im Gefängnis Itagüi in Medellín besucht hat. Dieser ist Kongressab­geordneter der einzigen linken Opposition­spartei „Polo Democrátic­o“. Cepeda, der die „Bewegung der Opfer der Staatsverb­rechen“(MOVICE) ins Leben gerufen hat, ist einer der am meisten gefährdete­n Menschenre­chtsaktivi­sten in Kolumbien. Auch er ist davon überzeugt: „Uribe förderte die Bildung paramilitä­rischer Einheiten.“

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Sicherheit: Trotz der Teilerfolg­e im Kampf gegen die Guerilla hält in Kolumbien die Gewalt an. Im Bild ein Mädchen in Schulunifo­rm, das im Süden des Landes eine Militärpat­rouille passiert.
Bild: SN/AP Trügerisch­e Sicherheit: Trotz der Teilerfolg­e im Kampf gegen die Guerilla hält in Kolumbien die Gewalt an. Im Bild ein Mädchen in Schulunifo­rm, das im Süden des Landes eine Militärpat­rouille passiert.
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Bild: SN Ex-präsident Uribe.

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