Die erste selige Parlamentarierin Soziale Pionierin
Hildegard Burjan. Am 29. Jänner wird im Stephansdom eine der Pionierinnen der österreichischen Sozialpolitik seliggesprochen. Ihr Wirken und ihre Art könnten für die heutige Politik Vorbild sein.
Auch in der Politik kann man heilig werden. Diese trockene Feststellung stammt von Kardinal Christoph Schönborn – und sie gilt einer der faszinierendsten Frauen der Ersten Republik: Hildegard Burjan. Am 29. Jänner wird sie – als weltweit erste demokratische Politikerin – in Wien seliggesprochen. Es ist die erste Seligsprechung, die im Stephansdom stattfindet.
Viele Sozialgesetze und Errungenschaften, die im Alltag helfen, gehen auf Burjan zurück (übrigens auch „Essen auf Rädern“). Immer noch gültig ist ihr Leitsatz: „Hilfe zur Selbsthilfe“. Und immer noch aktuell ist ihre wichtigste politische Forderung: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“
Umso mehr wundert sich Gertraud Putz, Assistenzprofessorin am Institut für Christliche Gesellschaftslehre der Universität Salzburg, darüber, wie wenig bekannt Burjans Leben und Wirken in Österreich ist. „Wenn ich an der Uni mit Hildegard Burjan anfange, ist die erste Reaktion immer: Hildegard wer?“, sagt sie. Vielleicht, so Putz, liege es daran, dass diewunden der Ersten Republik, in der die Lager zutiefst verfeindet waren, bis in die Jetztzeit nachwirkten. Just die Christlichsoziale Burjan war allerdings um Aussöhnung und parteiübergreifende Ar- beit bemüht. „Sie hatte dieses Diplomatische“, sagt Putz. Das war das eine. Das andere: „Sie war überzeugt davon, dass es wichtige Probleme im Leben gibt, die man nur gemeinsam lösen kann.“Letztlich scheiterte die Vermittlerin zwischen den Parteien am Parteienzwang – und dem aufkeimenden Antisemitismus. Und so verhallte auch dieser Appell Burjans ungehört: „Wir Frauen wollen nicht unsere besten Kräfte verbitternden, fruchtlosen Parteikämpfen opfern, sondern praktische, die Gesamtheit fördernde Arbeit leisten.“
Geboren wurde Hildegard Burjan 1883 in Schlesien. Sie studierte Literaturwissenschaft und Philosophie und heiratete im Alter von 24 Jahren in Berlin. 26-jährig konvertierte sie vom jüdischen zum katholischen Glauben. Im selben Jahr – 1909 – übersiedelte sie nach Wien, wo sich ihr Blick sofort für die schärfte, die die enormen Verwerfungen Richtung Industriegesellschaft (und später der Erste Weltkrieg) ins Elend gestürzt hatte. Vor allem den Frauen wollte Burjan helfen und sie stark machen. Mindestlohn, Mutterschutz, Karenzurlaub, Absicherung im Krankheitsfall, eine bessere Ausbildung, Gleichberechtigung – das waren die Themen, für die sie rannte und brannte. Nach dem Krieg – 1919 – zog sie als erste und einzige christlichsoziale Abgeordnete ins neue Parlament ein, um auch hier vor allem für die Frauen zu kämpfen. „Das Recht auf Frauenarbeit resultiert aus dem Recht jedes Menschen auf Entwicklung und Entfaltung seines Wesens, was ohne Arbeit nicht möglich ist“, argumentierte die Frau, die später als das „Gewissen des Parlaments“bezeichnet werden sollte.
Gertraud Putz von der Uni Salzburg sieht in der Epoche, in der Burjan lebte, Parallelen zur heutigen Umbruchszeit. Und in Burjans Wesen sieht sie vieles, was heutigen Politikern Vorbild sein sollte: Ihre Höflichkeit im Umgang, ihre über Wahltermine hinausschauende Konsequenz, ihren Mut, gegen den Strom zu schwimmen.
49 Jahre hat das Seligsprechungsverfahren gedauert und damit etwas kürzer, als Burjans Leben währte. Eingeleitet wurde es 1963 von Kardinal Franz König. Das Burjan zugeordnete Wunder, das nun für die Seligsprechung sorgt: Eine unfruchtbare Frau, die zu ihr gebetet hat, soll schwanger geworden sein. Putz: „Also wenn Sie mich fragen: Das Wunder ist die Frau selbst.“
Im Pfarrheim in Siezenheim findet heute, Donnerstag, um 19.30 Uhr eine Veranstaltung über Hildegard Burjan statt. Referentin ist Gertraud Putz.