Torschlusspanik in Frankreich
Krise. Drei Monate vor der Präsidentschaftswahl will Staatschef Nicolas Sarkozy den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufnehmen.
PARIS (SN). Nicolas Sarkozy hat es jetzt noch eiliger, als er es sowieso immer hat. Drei Monate vor der nächsten Wahl versammelte Frankreichs Präsident am Mittwoch die Sozialpartner zu einem Gipfelgespräch im Elysée-palast, um kurz vor dem Ende seiner fünfjährigen Amtszeit mit ihnen die beiden Probleme anzugehen, die neben der hohen Staatsverschuldung zum größten Handicap einer Bewerbung um ein neues Mandat geworden sind: die steigende Arbeitslosigkeit und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen gegenüber dem Ausland, vor allem gegenüber Deutschland.
Vom Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins hat er sich auch für die Lösungen inspirieren lassen, die er jetzt mit der Förderung der Kurzarbeit und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung von Sozialabgaben für Frankreich vorschlägt.
2,84 Millionen Franzosen, das entspricht knapp zehn Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, sind ohne Arbeit. Das sind gut 700.000 mehr als zu Beginn von Sarkozys Amtszeit 2007. Als das Nationale Statistische Amt im Dezember diese Zahl bekannt gab, entschied der in den Umfragen vom Kandidaten der Sozialisten, François Hollande, überflügelte und von der Chefin der rechtsextremen Nationalen Front, Marine Le Pen, bedrängte Staatspräsident kurzfristig, Gewerkschaften und Arbeitgeber zum Spitzengespräch zusammenzurufen. Seit dem Entzug der Bestnote für Frankreichs Kreditwürdigkeit brennt es Nicolas Sarkozy erst recht auf den Nägeln, noch vor Ende der Legislaturperiode „äußerst starke Maßnahmen“zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit durchzusetzen, wie er jetzt erklärte.
So kündigte Sarkozy 100 Millionen Euro zur Unterstützung von Unternehmen an, die anstelle von Entlassungen Kurzarbeit einführen wollen. Die Aus- und Weiterbildung von Arbeitslosen soll weiter gefördert und die Eingliederung von Jugendlichen in das Arbeitsleben erleichtert werden.
Die Absicht, die Mehrwertsteuer von derzeit 19,6 Prozent zu erhöhen, um mit den erzielten Mehreinnahmen die Belastung der Unternehmen durch Sozialabgaben – gedacht ist insbesondere an die ausschließlich von den Arbeitgebern getragene Kasse für Familienbeihilfen – zu reduzieren, stößt bei den Gewerkschaften auf entschiedene Ablehnung. Ihr Hauptargument ist, dass die Heraufsetzung der Mehrwertsteuer um zwei bis drei Prozentpunkte die Kaufkraft vor allem der unteren Einkommensschichten belasten würde. Auch die oppositionellen Sozialisten sind dagegen.
Selbst in der eigenen Regierungspartei UMP gibt es Zweifel an der „sozialen Mehrwertsteuer“, wie das Vorhaben verschämt getauft wurde. Eine Mehrwertsteuererhöhung könnte bei vorsichtiger Schätzung zwölf Milliarden Euro einbringen.