Kleinbauern erhalten geraubtes Land
Kolumbien versucht die Wiedergutmachung für Bürgerkrieg – Vertriebene erhalten Entschädigung
BOGOTA (SN). Nirgendwo in der westlichen Welt gibt es so viele Binnenflüchtlinge wie in Kolumbien: vier Millionen Menschen, die vom bewaffneten Konflikt zur Flucht getrieben worden sind. Der politisch konservative Staatspräsident Juan Manuel Santos holte sich den 66-jährigen Soziologen Alejandro Reyes als Berater und gab ihm den Auftrag, die Landwirtschaftspolitik zu entwerfen. Herausgekommen ist dabei eine politische Wende, die man zuallerletzt einem Elitevertreter wie Santos zugetraut hätte: Der Staat will Millionen Konfliktopfer entschädigen und die Wiedergutmachung mit der Rückgabe von geraubtem Land komplettieren.
Beides hat direkt mit dem bewaffneten Konflikt gegen die linke Farc-guerilla zu tun, die den Staat aus den Angeln heben will. Im Kampf gegen die Rebellen setzte Kolumbien von Beginn an auf eine Allianz zwischen regulärer Armee und den Privatheeren der Großgrundbesitzer: Als Verbündete durften die paramilitärischen Banden mordend das Land von Kleinbauern rauben.
Von ihrer Scholle vertrieben, könnten die Campesinos die Guerilleros nicht länger unterstützen. Zur perversen Logik gehörte auch, dass auf dem geraubten Land Plantagen mit Ölpalmen oder Rinderweiden angelegt wurden, die sich – von Paramilitärs bewacht – als Bollwerk gegen die FARCGuerilla erweisen würden.
Die gesetzlich verankerte Wiedergutmachung zwinge den Staat, jede Zusammenarbeit mit illegalen Gruppen endlich aufzugeben, sagt Alejandro Reyes. Raubland geht ab Jänner an die rechtmäßi- gen Besitzer zurück. 2014 soll die Aktion abgeschlossen sein. Sondertribunale haben jeweils nur vier Monate Zeit, einen Fall zu lösen. Zudem haben die Rückkehrer Anspruch auf bis zu 21 Mindestgehälter als Entschädigung für erlit- tenes Leid, umgerechnet gut 5000 Euro pro Person.
Kann Santos denwiedergutmachungsgesetzen Leben einhauchen, verschwindet ein Gewaltfaktor. Aber das ist Theorie. Die Praxis zeigt, dass die extreme Rechte bereits aus vollen Rohren gegen die Rückgabe von geraub- tem Land schießt. Schon Dutzende Flüchtlinge bezahlten ihre Anträge auf Landrückerstattung mit dem Leben. Sie wurden ermordet von paramilitärischen Banden, die weiterhin ihr Unwesen treiben. In anderen Fällen gehen die Großgrundbesitzer mit gekauften Zeugen und deren Falschaussagen vor Gericht, dass es nie gewaltsame Vertreibungen gegeben habe. Ziel ist dabei, die Opfer um ihren gesetzlichen Anspruch auf Rückerstattung von Land zu bringen.
Die Armee wäre gefordert, um den paramilitärischen Banden das Handwerk zu legen und die Rückkehrer vor neuer Gewalt zu schützen. Aber gegen Kriminelle vorzugehen, die Verbündete des Staates waren, ist umso schwieriger, als sich die Großgrundbesitzer hinter den Banden als Teil des politischen Systems verstehen.