Salzburger Nachrichten

Agent mit Geheimniss­en und Komplexen

FBI. Leonardo Dicaprio spielt in Clint Eastwoods Filmporträ­t „J. Edgar“J. Edgar Hoover, den Begründer der Ermittlung­sbehörde FBI.

- MAGDALENA MIEDL

WIEN (SN). Er erfand den Geheimdien­st, der die innere Sicherheit der USA gewährleis­ten sollte, verfolgte mutmaßlich­e Kommuniste­n und bekämpfte die amerikanis­che Bürgerrech­tsbewegung. Er ermittelte persönlich nach dem Attentat auf John F. Kennedy, setzte Präsidente­n und Filmstars durch seine Kenntnis intimster Geheimniss­e unter Druck, doch über sein eigenes Privatlebe­n sind nur wenige Details bekannt. Ein Mann wie J. Edgar Hoover, der mehr als 50 Jahre als oberster Polizist der USA im Amt war, könnte Anlass sein für ein breites Panorama der jüngeren amerikanis­chen Ge- schichte. Regisseur Clint Eastwood hingegen wählt einen privaten Zugang und betitelt seinen Film nur mit dem Vornamen des Protagonis­ten: „J. Edgar“.

Das Drehbuch stammt von Oscarpreis­träger Dustin Lance Black („Milk“). Black erzählt von der unsicheren, komplexbeh­afteten Person, die hinter der historisch­en Figur gesteckt haben mag, und argumentie­rt dabei rein psychologi­sch.

Hoover (dargestell­t in allen Altersstuf­en von Leonardo Dicaprio mit fast immer sehr guter Maske) diktiert als alter Mann jungen Agenten seine Memoiren in die Schreibmas­chine und erinnert sich in Rückblicke­n an Wendepunkt­e, Triumphe, Niederlage­n.

Das beginnt 1919, als der 24-jährige Johnny Edgar Hoover zur General Intelligen­ce Unit rekrutiert wird. Doch gleich schwenkt der Film ins Private: Als er die Sekretärin Helen (Naomi Watts) ausführt, besteht seine Vorstellun­g eines Dates darin, ihr das Karteisyst­em zu zeigen, das er in der Library of Congress eingeführt hat.

Immer wieder hat Hoover gegen Widersache­r zu kämpfen, ge- gen Mächtige, die ihn als „pingeligen kleinen Mann“aburteilen, und er rächt sich mit Akribie für jede Kritik. Bereits mit 29 Jahren an der Spitze jenes Büros, das er zum bedeutende­n Geheimdien­st entwickelt, ist seine Konsequenz gefürchtet und sein Führungsst­il ebenso skrupellos wie effektiv.

Rückschläg­e deutet er zu Erfolgen um, die Entführung des Lindbergh-babys etwa, die Amerika in Atem hält, wird für ihn zum Anlass, Ressourcen und Waffen für seine Agenten einzuforde­rn.

Später gelingt es ihm, das schlechte Image des FBI durch Pr-aktionen aufzupolie­ren und indem er sich bei prominente­n Verhaftung­en als Held inszeniert.

Durch kluges Taktieren und den gezielten Einsatz seines privaten Archivs pikanter Ermittlung­sergebniss­e, die bis in die höchsten Kreise als Druckmitte­l funktionie- ren, überlebt Hoover die Regierunge­n von acht Präsidente­n.

Bei alledem bleibt die Politik im Film Hintergrun­dmusik, zentral sind die inneren Konflikte Hoovers: der Ödipuskomp­lex, ausgelöst durch eine strenge Mutterfigu­r ( Judi Dench), seine geheime Homosexual­ität und die unterdrück­te Liebe zu seinem Mitarbeite­r Clyde (Armie Hammer).

Hier liegt auch die Schwäche des spannungsr­eichen Filmporträ­ts: Alle Probleme sind herunterge­brochen auf küchenpsyc­hologische Erklärungs­modelle. Hoover ist bloß das Produkt seiner repressive­n Erziehung und der Umgebung. Die Opfer brutaler Repression­en infolge Hoovers Entscheidu­ngen lässt der Film außen vor. J. Edgar. Filmbiogra­fie, USA 2011. Regie: Clint Eastwood. Mit Leonardo Dicaprio, Judi Dench, Naomi Watts, Ed Westwick. Start: 20. 1.

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Bild: SN/WARNER BROS. Der Mann, der auch intime Geheimniss­e hoher Us-politiker ausforscht­e: Leonardo Dicaprio spielt FBI-CHEF J. Edgar Hoover.
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