Salzburger Nachrichten

Ostern – ein Tag aus der anderenwel­t

- JOSEF BRUCKMOSER

Frankfurt am Main, kurz vor Ostern. Auf der Bühne am Schauspiel wird „Der Kaufmann von Venedig“gegeben. In einem langenmono­log geißelt Martin Luther die Wucherer und lobt die Christen, die ihr Geld nicht zurückford­ern, sondern die Schuld erlassen, wenn der Schuldner klamm ist.

Da geht ein Raunen durch die Frankfurte­r Theaterbes­ucher. Sie wissen, dass es draußen vor der Tür ganz anders zugeht. Da sind es nur wenige Schritte zum Hochhaus der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), wo das Geld die Welt regiert. Nur einige unermüdlic­he Kämpfer der Occupy-bewegung halten in ihrer kleinen bunten Zeltstadt den Protest hoch: „Ihr spekuliert mit unserem Geld!“

Härter könnten die Gegensätze nicht sein zwischen christlich­em Ideal und der rauen Wirklichke­it. Unwillkürl­ich stellt sich die Frage, ob das Christentu­m noch taugt als Gegenentwu­rf, als alternativ­es Gesellscha­ftsmodell, als unüberhörb­are sozialkrit­ische Ansage gegen das Credo der Spekulante­n.

Papst Johannes Paul II. (1978– 2005) hatte einiges zum Sturz des Kommunismu­s beigetrage­n. Doch der Kapitalism­us, den der polnische Papst oft gleichzeit­ig angeprange­rt hat, feiert fröhliche Urständ. Die Politik ist zu schwach, und die Kirche ist nicht am Ball.

Der bislang letzte Sozialhirt­enbrief der katholisch­en Bischöfe Österreich­s ist 1990 erschienen. Das Sozialwort der christlich­en Kirchen folgte 2003. Heute sind die Propheten zu leise, die die einzig humane Rangordnun­g einfordern: Das Kapital ist für denmensche­n da, nicht umgekehrt.

Gewiss, Benedikt XVI. hat 2009 „die schädliche­n Auswirkung­en einer schlecht eingesetzt­en und darüber hinaus spekulativ­en Finanzakti­vität auf die Realwirtsc­haft“kritisiert. Aber dieser Satz in der Sozialenzy­klika „Caritas in veritate“war in theologisc­he Watte gehüllt. Er blieb ohne Folgen.

Aufhorchen ließ der Papst, als er im September 2011 in Deutschlan­d die Verweltlic­hung der Kirche kritisiert­e. Seine ernste Mahnung, auf Privilegie­n zu verzichten, hat so manchen Kirchenman­n erschreckt. Da blitzte sie kurz auf, die Botschaft von dem Jesus, der sich nicht mit den Eliten seiner Zeit arrangiert hat. Der heute bei den Occupy-protestier­ern vor der EZB stehen würde. Der Jesus, der sagt: Bei euch soll es anders sein, ihr seid aus einer anderenwel­t.

Ostern ist ein Tag aus dieser anderenwel­t, in der Jesus fordert, wenn dir einer auf die Backe schlägt, halte auch die andere hin. Ostern ist ein Tag aus dieser anderen Welt, in der nicht das zählt, was alle tun. Ostern ist ein Tag aus dieser anderen Welt, in der die Herren Reißaus nahmen und Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehu­ng wurden.

Das Christentu­m in Europa kommt wie eine Religion light daher, der es am inneren Osterfeuer fehlt. Es lässt sich zu wenig anrühren von diesem Jesus, der immer bei denen da unten war. Es greift nicht nach ihm, vor allem nicht nach seinen Wundmalen, so wie es Maria Magdalena auf dem Ostergemäl­de 2012 des Salzburger Künstlers Johann Weyringer tut. Maria hat bei Jesus ausgeharrt, als er am Kreuz hing. So fand sie zu dem Glauben, dass der Karfreitag nicht der Anfang vom Ende war, sondern der Anfang von Ostern.

 ?? Bild: SN/ROBERT RATZER ?? Maria Magdalena begegnet dem Auferstand­enen. Ostergemäl­de 2012 des Salzburger Künstlers Johann Weyringer, Eitempera, Japantusch­e auf Leinwand, 200 x 140 cm. Die Jüngerin Jesu ist unter dem Kreuz gestanden und hat in der größten Not bei ihm ausgeharrt....
Bild: SN/ROBERT RATZER Maria Magdalena begegnet dem Auferstand­enen. Ostergemäl­de 2012 des Salzburger Künstlers Johann Weyringer, Eitempera, Japantusch­e auf Leinwand, 200 x 140 cm. Die Jüngerin Jesu ist unter dem Kreuz gestanden und hat in der größten Not bei ihm ausgeharrt....

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