Diebe plündern dieweingärten
„Selbstbedienung“. Setzlinge, Stahlsäulen, jungeweinblätter und natürlich die reifen Trauben sind eine begehrte Beute. Die Winzer vermuten viele Täter in den eigenen Reihen.
WIEN, (SN). Josef Pleil, Präsident desweinbauverbands undwinzer in Wolkersdorf bei Wien, sagt voll Resignation: „Die Menschen mit schlechtem Charakter werden immer mehr. Die Moral in der Gesellschaft ist schlimm im Moment.“Er meint damit, dass aus den öffentlich zugänglichen Weingärten immer häufiger gestohlen wird. Selbst Dinge, die man für niet- und nagelfest halten würde, wie Setzlinge und Stahlsäulen, die die Rebstöcke stützen sollen. „Der Diebstahl aus den Weingärten ist eine Riesensauerei“, ärgert sich Pleil. Es gehe nicht nur um den finanziel-
„Die Rebstöcke werden völlig blank gezupft.“
Josef Pleil,
Weinbauverband len Schaden, den Winzer durch die Vandalenakte erlitten, sondern auch um den zeitlichen Mehraufwand, wenn Teile derweingärten neu ausgepflanzt werden müssten.
Josef Dockner, Winzer in Höbenbach (Bezirk Krems), ist einer der Betroffenen. Jüngst wurden in seinen Weingärten 60 Stahlpfähle herausgerissen und mitgenommen. Und seit zwei bis drei Jahren hätten er und zahlreiche Winzerkollegen das Problem, dass immer wieder Setzlinge von Veltliner- und Rieslingtrauben abhandenkämen. Dockner und Pleil vermuten die Täter in den eigenen Reihen. „Dieses Material kann nur ein Weinbauer brauchen. Leider gibt es in jeder Berufssparte schwarze Schafe“, sagt Dockner. Pleil geht davon aus, dass Nebenerwerbs- bzw. Hobbywin- zer mit kleinen Anbauflächen hinter den Straftaten (Sachbeschädigung und Diebstahl) stehen. Berufswinzer seien auszuschließen, da diese so große Mengen Material benötigten, die sie nicht einfach wegbringen könnten.
Dockner glaubt einen der Gründe zu kennen, warum gerade Jungreben von Veltliner und Riesling so begehrt sind: Sie sind in den Rebschulen praktisch ausverkauft. Nur jene, die schon vor einem Jahr bestellt haben, bekommen Setzlinge. „Die Rebschulen können nicht auf gut Glück veredeln, dafür sind die Materialkosten viel zu hoch“, erklärt Pleil. Und weiter: „Mit dem Diebstahl von 50 Reben kann man ein Hausgartl schon ganz gut bepflanzen.“
Weinblätter für türkische Vorspeise
Ebenfalls sehr begehrt: Weinblätter, die für orientalische Gerichte verarbeitet werden, und natürlich Weintrauben. „Steht der Weingarten neben einer Hauptstraße oder einem Wanderweg, bist du als Bauer ein armer Teufel“, sagt Dockner. „Wenn jemand ein paar Trauben nascht, sagt ohnehin niemand etwas. Aber die Leute kommen mit Körben und Säcken, der Weingarten darf kein Selbstbedienungsladen werden.“
Pleil zufolge ist das Abzupfen junger, zarter Weinblätter in all jenen Regionen ein Problem, „wo Türken wohnen“. Denn sie bereiten damit ihre traditionelle Vorspeise „Yaprak Sarmasi“zu. „Frauen kommen in Scharen und zupfen in Windeseile die Blätter ab, bis die Stöcke völlig blank sind“, erzählt Pleil. Der Schaden sei zum Teil sehr hoch, da dies in der besten Wachstumsphase im Frühjahr passiere und den Weinstöcken fortan der Schutz durch die Blätter fehle. Wie Pleil sagt, hat ein Winzerkollege aus Ärger eine selbst gebastelte Warntafel „Achtung, Gift gespritzt!“aufgestellt. Mit unerwünschten Folgen: Akkurat seinweingarten wurde am stärksten „gerupft“.