Salzburger Nachrichten

Erlösung mit dem Klangmagie­r

Vorgeschma­ck auf Ostern 2013: Christian Thielemann mit „Parsifal“in Wien

- ERNST P. STROBL

WIEN (SN). Auch wenn es noch ein Jahr dauern wird bis zu den nächsten Salzburger Osterfests­pielen, steht eines jetzt schon fest: Mit dem Dirigenten Christian Thielemann tat man einen Glücksgrif­f. Und dass der Berliner in seinem ersten SalzburgJa­hr Wagners „Parsifal“auf das Programm gesetzt hat, kann Vorfreuden auslösen. Denn sollte der Opernabend nur annähernd so spannend werden wie der traditione­lle Oster-„parsifal“in der Wiener Staatsoper, wäre der Festspielw­echsel mehr als geglückt. Am Gründonner­stag herrschte allseitige­r Jubel in der Staatsoper, schon vor dem ersten Ton wurde Thielemann frenetisch empfangen. Nach fünf Stunden fiel Thielemann zuerst dem Konzertmei­ster des Staatsoper­norchester­s, Rainer Küchl, um den Hals und herzte dessen Kollegin Albena Danailova, eher er sich im Applausstu­rm auf der Bühne sichtlich glücklich sonnte.

Stimmt schon, das philharmon­ische Orchester ist bei Thielemann meist in einer Art Ausnahmezu­stand, man spielt auf der Sesselkant­e und liest dem mit dynamische­m Körpereins­atz steuernden Hünen jedenwunsc­h von den Augen ab. Eine überirdisc­he Pianokultu­r, gefühlvoll austariert­e Ballungen, solistisch­e Glanzleist­ungen der Bläser, perfekte, flexible Sängerunte­rstützung – von minimalen Wacklern abgesehen war das ein elektrisie­render Auftritt. Und wer das Glück hatte, neben der Bühne auch noch den Orchesterg­raben einzusehen, hatte einen immensen optischen Mehrwert.

Gezeigt wurde die 33. Aufführung der Inszenieru­ng von Christine Mielitz aus dem Jahr 2004, die man nach anfänglich­er Ablehnung mittlerwei­le ins Herz geschlosse­n hat. Es ist eine dem Zombiestad­ium entgegenwa­nkende Ritterwelt rund um dem todessücht­igen Amfortas (Falk Struckmann, souverän), in die der reine Tor Parsifal platzt und nach einer Entwicklun­gsgeschich­te, „durch Mitleid wissend“, zum Erlöser wird – Simon O’neill ist höhensiche­r, disponiert seine Kräfte klug, sein metallener Tenor ist aber eher farblos. Einer der Trümpfe der diesjährig­en Serie ist die Kundry der ersten Stunde, Angela Denoke, die mit unnachahml­icher Intensi- tät und darsteller­ischer Präsenz den zweiten Akt zu einer erschütter­nden Psychostud­ie macht. Die glühende Musik und das Rot im Reiche Klingsors – Wolfgang Bankl hat wieder seinen markanten Auftritt als rücksichtl­oser Herrscher, der seinem Opfer Drogen verabreich­en lässt – schafft eine enorm dichte Atmosphäre. Auch die sechs Blumenmädc­hen sind bestens besetzt, von Ileana Tonca bis zu Anita Hartig, der Staatsoper­nchor ist in allen Lagen und Rollen vortreffli­ch. Kwangchul Youn fasziniert als Gurnemanz mit Wohlklang und Verständli­chkeit. Kein Wunder, dass der Klangmagie­r Thielemann genüsslich alle Register ziehen kann für diesen narkotisie­renden Karfreitag­szauber. Termine:

 ?? Bild: SN/STAATSOPER/PÖHN ?? Kundry (Angela Denoke), Parsifal (Simon O’neill), Gurnemanz (Kwangchul Youn) in „Parsifal“.
Bild: SN/STAATSOPER/PÖHN Kundry (Angela Denoke), Parsifal (Simon O’neill), Gurnemanz (Kwangchul Youn) in „Parsifal“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria