Salzburger Nachrichten

Meinl-verfahren dauert zu lang

Verzögerun­g. Die Meinl Bank feiert einen Beschluss des OLG Wien als Beweis für Rechtsvers­töße, das Justizmini­sterium kontert.

- GERALD STOIBER

WIEN (SN). Seit vier Jahren ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Wien gegen die Führungsri­ege der Meinl Bank wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue durch die Schädigung von Anlegern. Julius Lindbergh Meinl V., Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Privatbank, kam am 1. April 2009 in U-haft – und schon am nächsten Tag war der heute 52-jährige Brite mit Wohnsitz Wien gegen 100 Mill. Euro Kaution frei. Dass seit Ende 2011 nun mit Martin Geyer der bereits dritte Sachverstä­ndige in dem komplexen Strafverfa­hren beauftragt ist, erachtet das Oberlandes­gericht Wien als „massiven Verstoß gegen das allgemeine Beschleuni­gungsgebot“, wie es in der Strafproze­ssordnung festgelegt ist. Diese Rechtsverl­etzung wurde per Beschluss am 14. März festgestel­lt, was die Meinl Bank nun genüsslich bekannt machte. Die Zweckmäßig­keit des Gutachterw­echsels wurde ausdrückli­ch nicht beurteilt. Beschwert hatte sich einer der Beschuldig­ten.

Faktisch hat der Gerichtsbe­schluss keine Auswirkung. Vielleicht gehen gerade deshalb die Ansichten darüber weit auseinande­r. Die Meinl Bank sieht darin den jüngsten Beweis für eine Kette von Rechtswidr­igkeiten. Vorstand Peterweinz­ierl, selbst einer der Beschuldig­ten, forderte am Karfreitag Justizmini­sterin Beatrix Karl auf, „bezüglich des jahrelange­n schikanöse­n Vorgehens eines einzelnen Staatsanwa­lts die nötigen rechtliche­n Konsequenz­en zu ziehen“. Die SN baten Christian Pilnacek, Chef der Strafrecht­ssektion, um Stellungna­hme. „Das Gericht hat vor rund einem Jahr den dringenden Tatverdach­t bestätigt. Dieser Beschluss wurde von den Beschuldig­ten nicht mehr bekämpft.“

Im Fall Meinl sind Rechtshilf­eersuchen aus der Schweiz und Liechtenst­ein noch offen. Diese Unterlagen gelten aber als wesentlich zur Gesamtbeur­teilung.

Der erste Gutachter, Thomas Havranek, musste nach eineinhalb Jahren auf Betreiben von Meinl & Co. als befangen abgezogen werden. Er erhielt trotzdem mehr als 600.000 Euro für seine Arbeiten. Der zweite Gutachter, Fritz Kleiner, überwarf sich derart mit den Staatsanwä­lten, dass er gegen Geyer ausgetausc­ht wurde.

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