Tritt den Leo: Jagdszenen in der Bundesliga
Im Visier. Er erhitzt die Gemüter: Salzburgs Brasilianer Leonardo spielt einmal brillant, dann wieder unterirdisch. Aber jedes Mal ist er das Ziel beinharter Attacken.
(SN). Er ist jener Spieler, der einem Match die entscheidende Wendung geben kann: Leonardo de Vitor Santiago (29) hat das am vergangenen Sonntag bewiesen. Fußballvizemeister Red Bull Salzburg lag ohne ihn mit 0:1 bei Austria Wien im Rückstand, nach knapp einer Stunde wechselte ihn Trainer Ricardomoniz ein.
Plötzlich wurde Salzburg offensiv stärker und passend zur Spieldramaturgie erzielte Leonardo in der 92. Minute das 1:1. Red Bull wahrte die Tabellenführung.
Heute, Samstag (16 Uhr), gegen Wacker Innsbruck sollte Leonardo von Beginn an spielen. Gegen Austria Wien saß er auf der Ersatzbank, weil er zuvor drei Wochen außer Gefecht war. Grund war ein übles Foul an ihm im Spiel gegen Rapid Wien. Nur mit viel Glück schrammte Leonardo bei dieser Attacke von Guido Burgstaller an einer wirklich schweren Knieverletzung vorbei.
Fouls an ihm musste der Mann aus Rio de Janeiro schon viele über sich ergehen lassen. Beide Knie sind kreuzbandgeschädigt.
Leonardo dribbelt viel. Manchmal zu viel und vor allem zu lang.
Das war schon so, als er in den Niederlanden bei Feyenoord, Ajax und später Breda spielte. Da gerät man rasch in das Visier der Verteidiger. Attacken mit ge- streckten Beinen sind im harten Profigeschäft an der Tagesordnung. Geschont wird niemand. Auch nicht in Österreich. Leonardo wähnt sich hier aber inmitten von Jagdszenen. „Und meistens geht es gegen die Knie“, sagte er den SN: „Das ist nicht Fußball.“
Dass die Attacken gegen ihn seiner mitunter eigensinnigen Spielweise geschuldet sind, stellt er in Abrede. Er sieht sich als „Teamplayer, denn gewinnen kann man nur als Gruppe“. Und wenn man ihn anders wahrnehme, wenn man sagt, er sei schwierig, „dann muss ich das so akzeptieren. Was soll ich machen?“
Leonardo kam im Juli 2011 nach Salzburg. Da war er schlecht trainiert, hatte sieben Kilogramm Übergewicht. Zunächst war er nur Ersatzspieler, so auch in seinem zweiten Ligaauftritt bei Wacker Innsbruck. Die Partie machte durch laute und später kleinlaut dementierte Rassismusvorwürfe von sich reden. Der Innsbrucker Verteidiger Georg Harding fasste seine erste Begegnung mit Leo- nardo jedenfalls so zusammen: „Er wird in der Liga nicht viele Freunde finden, so provokant, wie der auftritt.“
Leonardo galt einst als Wunderkind. Er mäanderte stets zwischen „fantastischen Auftritten und fürchterlichen Spielen“, wie sich ein niederländischer Beobachter erinnert.
Das ist in Österreich auch nicht anders. In der Vorwoche zeigte sich Leonardo wieder von seiner guten Seite. Gegen die Austria verzeichnete er vor seinem Tor einen Lattenschuss – aus 25Metern, aus vollem Lauf, von der Seite. „Das war keine abgerissene Flanke. Ich habe gesehen, dass der Tormann schlecht stand und habe daher versucht, direkt das Tor zu machen“, sagt Leonardo.
Das macht sonst keiner. Das macht ihn einzigartig. Und damit müssen eben seine Trainer, seine Mitspieler und die Fans leben.