Reich und gut
Zunächst wollte Bill Gates nichts davon hören. Geld auszugeben statt Geld zu machen, nein danke. Aber seine Mutter blieb hartnäckig. Schon nach dem Börsegang von Microsoft im Jahre 1986 hatte sie darauf gedrängt, dass ihr Sohn, der jüngste Milliardär in der Geschichte der USA, einen Teil seines unverhofft großen Vermögens für wohltätige Zwecke spenden sollte. Zu Bills Hochzeit mit Melinda 1994 schrieb sie den beiden einen Brief, in dem zu lesen war: „Eure gemeinsame Lebenszeit wird, am Ende, ein Urteil darüber sein, ob ihr außergewöhnliche Verpflichtungen erkannt habt.“
Nach dem baldigen Tod dermutter, die an einer Krebserkrankung gelitten hatte, nahm Bill Gates ihr Anliegen ernst. Sein Vater ging regelmäßig die unzähligen an Gates adressierten Briefe mit Spendenaufrufen durch, sortierte sie und gab Empfehlungen ab. Inzwischen ist aus der „Bill & Melinda Gates Foundation“die größte gemeinnützige Stiftung der Welt geworden, ausgestattet mit mehr als 30 Milliarden Dollar Kapital. Bill Gates wurde zum „Vollzeit-missionar“, wie ihn Helmut Spudich in seinem Buch „Reich & gut. Wie Bill Gates & Co. die Welt retten“nennt. Die Mission heißt Malariabekämpfung. Vorrangig – in das Bildungssystem der USA wird ebenfalls investiert. „Vielleicht ist das diemotivation: Menschen, denen immer alles aufgegangen ist, die vom Erfolg verwöhnt sind, suchen sich schwere Aufgaben und wählen die größten Herausforderungen“, meint Spudich.
Warum es in Österreich keine philanthropische Tradition gibt? Spudich nennt dafür zweiursachen. „Imjahr 1870 führte Otto von Bismarck die gesetzliche Krankenkasse ein“, erläutert er. „Vorher war es Glück, ob sich der jeweilige Arbeitgeber um seine Angestellten gekümmert hat oder nicht. Seit der Einführung des Sozialstaates fühlen sich die Unternehmen weniger verpflichtet.“Als zweiten Grund führt er das Dritte Reich an.
„Die Nazis nutzten Stiftungen für ihre Zwecke, die so in Misskredit geraten sind“, sagt Spudich. Langsam treten die sogenannten guten Kapitalisten aber wieder auf den Plan. Siehe Dietrich Mateschitz: Der RedBull-chef stellteanfang des Jahres 70 Millionen Euro für ein neues Querschnittslähmungs-forschungszentrum an dermedizinischen Privatuniversität in Salzburg zur Verfügung. Trotzdem schlägt den Reichen und Guten ob ihrer Taten nicht nur Wohlwollen entgegen. Ein schlechtes Gewissen wird ihnen nachgesagt, eine Art Ablasshandel seien die milden Gaben an die Gesellschaft. „Man unterstellt ihnen, mit dem Einsatz ihres Kapitals großen Einfluss zu nehmen“, sagt Helmut Spudich. „Dabei ist das selbstverständlich: Würden Sie so viel Geld hergeben und dann nicht mehr nachschauen, was damit passiert?“Nie im Leben. „Na eben.“
Außerdem komme es ja wohl darauf an, welchen Einfluss die großzügigen Geber nähmen, sagt Spudich. „Es gibt eine Bürokratie des Wohltätigseins. Das Rote Kreuz, die Caritas und wie sie alle heißen – die sagen, wo’s lang geht. Und das ist auch gut so, weil diese Organisationen eine Menge Erfahrung auf diesemgebiet gesammelt haben. Aber es gibt vielleicht auch Dinge, die verbessert oder auf anderemweg erreicht werden können, und die können sich Stiftungen zur Aufgabe machen.“Außerdem verfügten die Milliardäre im Gegensatz zu den NGOS, den regierungsunabhängigen Hilfsorganisationen, über unternehmerische Freiheit. „Bill Gates ist bei Entscheidungen, wie er seine Millionen ausgibt, keiner Regierung oder internationalen Bürokratie Rechenschaft schuldig. Wenn Investitionen schiefgehen, gehört dies zum notwendigen Irrtum, ohne den sich Forschung nicht weiterentwickeln kann.“
Als Risikokapital der Gesellschaft bezeichnet Paul Brest, Präsident der „William and Flora Hewlett Foundation“, das Geld in gemeinnützigen Stiftungen. „Das Geld ist nicht dazu da, um Löcher im sozialen Wohlfahrtsnetz zu stopfen, das ist dieaufgabe von Staat und Charity, der privaten Wohlfahrt. Die Stiftungen haben jedoch den Luxus einer anderen Aufgabe, die sonst unerledigt bleibt: Sie sollen Forschung, Systemänderungen, das Eintreten für bestimmte Anliegen wie Menschenrechte oder Umweltschutz, finanzieren“, sagt Brest.
In diesem Sinne engagieren sich auch die Schauspielerin und Uno-sonderbeauftragte Angelina Jolie und ihr Kollege George Clooney. „Das Kapital der Promis ist nicht vorrangig Geld, sondern ihr Einfluss“, sagt Spudich. Der Medientross folgt ihnen aufgrund ihrer Popularität – die Blicke vieler Menschen werden auf Regionen und Problemfelder gelenkt, die sonst unbeachtet blieben.
Clooney etwa lenkt die Blicke in den Sudan. Schon seit Jahren prangert er diemassaker der sudanesischen Armee an der Zivilbevölkerung an. Erst vor ein paar Wochen ließ er sich medienwirksam Handschellen anlegen. Mit seinem Vater Nick hatte der 50-Jährige vor der sudanesischen Botschaft in Washington gegen den Präsidenten Omar alBashir demonstriert. „Es ist unsinnig zu denken, dass du mit dem hier Erfolg haben könntest. Aber wenn es laut genug ist, hören diemenschenwenigstens davon und sie können dann nicht sagen, sie hätten von nichts gewusst. Das ist ein erster Schritt“, erklärte Clooney nach wenigen Stunden Haft. Zudem finanziert Clooney ein Satellitensystem, das Truppenbewegungen wahrnimmt und die Aufnahmen systematisch auf Menschenrechtsverletzungen auswertet.
Der Kapitalismus und viele von der Gier getriebene Geldscheffler mögen besonders in den letzten Jahren in Verruf geraten sein, doch Helmut Spudich räumt ein: „Eine kleine Schar der Reichsten der Welt will mit ihrenmilliarden die Probleme des Planeten lösen. Wir können es uns nicht leisten, aus ideologischen Vorbehalten auf die Hilfe der Superreichen zu verzichten.“