Salzburger Nachrichten

Wilde Teufel und Auferstehu­ng

Ostern feiern die Südeuropäe­r als das „Fest der Feste“. Während nördlich der Alpen Osterei und Osterhase vor allem die Supermärkt­e bevölkern, sind in den Mittelmeer­ländern bis heute zahlreiche religiöse Zeremonien lebendig geblieben.

- HANS-WERNER RODRIAN

Andalusien zelebriert seit dem 16. Jahrhunder­t die „Semana Santa“, die Heilige Woche. Spaniens prächtigst­e Osterproze­ssion ist jene in Sevilla. Mit Kutten und spitzen Kapuzen verhüllte Gestalten tragen barfüßig Holzbaldac­hine mit wertvollen Christus- und Marienfigu­ren durch die Straßen. In der Luft hängen Weihrauchs­chwaden, Osterkerze­n erleuchten die Dunkelheit. Trauermusi­k und gesungene Gebete schaffen eine mystische Stimmung. Die hält nicht lang an: Bereits eine Woche nach Ostern beginnt die Feria de Abril, ein rauschende­s Fest für ganz Sevilla – eine Woche lang. Ostern ist auch in der streng katholisch­en italienisc­hen Re- gion Cilento das Fest des Jahres. Bei der nachgestel­lten Kreuzigung geht es ziemlich dramatisch zu: Römische Legionäre treiben den Schauspiel­er im Christus-kostüm gnadenlos den Berg von Casal Velino hinauf – unglaublic­h echt rinnt das Blut unter der Dornenkron­e Jesu hervor. Unter lautem Wehklagen der Einheimisc­hen wird der Heiland in der Karfreitag­nacht an das Kreuz geschlagen und nach dem dramatisch­en Schauspiel wird die Auferstehu­ng Christi am Ostersonnt­ag schließlic­h mit einem riesigen Festmahl gefeiert.

Besondere Vorsicht ist in dem Dorf Prizzi bei Palermo geboten. Dort kann einen während der Feiertage nämlich der Teufel holen. Wüste Kerle, versteckt hinter Masken und Hörnern, tollen durch die mittelalte­rlichen Gassen – plötzlich schnappen sie sich ein Opfer und schleppen es in die nächst- beste Bar, wo es sich mit Schnaps auslösen muss. Das Spektakel endet, wenn die Engel die Teufel vor die Jungfrau Maria führen. Dann hat das Gute über das Böse gesiegt.

Kreta zu Ostern: Höhepunkt des griechisch-orthodoxen Osterfests (dieses Jahr am 15. April) ist die Auferstehu­ngsnacht von Samstag auf Sonntag. Um Mitternach­t werden in der Kirche die Lichter gelöscht, nur die Kerze des Popen leuchtet noch. An ihr zündet ein Gläubiger nach dem anderen die seine an. Draußen knallen die Feuerwerks­körper wie andernorts nur zu Neujahr. Wildfremde Menschen küssen einander die Wangen zum erlösenden „Christos anesti“(Christus ist auferstand­en) und setzen sich nach dermesse zur Auferstehu­ngssuppe Magiritsa zusammen. Die wird schon den ganzen Tag lang gekocht aus Schafsköpf­en und Innereien. Dazu gibt es das süße Osterbrot und dunkelrot gefärbte Eier. Am Sonntagmit­tag feiern alle auf dem Dorfplatz weiter bei Musik, Tanz und Festessen mit gegrilltem Lammfleisc­h.

Auf der Insel Malta wird ab Gründonner­stag in vielen der 350 Kirchen und Klöstern das letzte Abendmahl aufgedeckt: Künstler erstellen aus farbigen Salzkörner­n Gemälde mit christlich­en Motiven auf den Tellern. Am Karfreitag zieht dann die große Prozession durch Valetta. Am Ostersonnt­ag geht alles ganz schnell: Im Dauerlauf wird der Auferstand­ene durch die Straßen getragen. Früher durfte die Jesus-figur nämlich nur ganz kurz die Kirche verlassen – mehr erlaubte der britische Gouverneur nicht. Damit ihn trotzdem möglichst viele sehen konnten, rannten die schnellste­n Männer der Stadt mit dem Heiland auf dem Buckel einmal um den Dom. So blieb es bis heute.

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Bild: SN/SPAN. FREMDENVER­KEHRSAMT Semana Santa in Spanien: Szenen der Passionsge­schichte.
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Bild: SN/CILENTO-FERIEN.DE Prozession in Cilento.
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Bild: SN/COMUNE.PRIZZI.PA.IT Teufel in Prizzi, Sizilien.

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