Salzburger Nachrichten

„Papa war mein Ein und Alles“

Beitrag zum Mord. Prozess in Wels gegen einen 20-Jährigen. Urteil: Fünf Jahre Haft im Sinne der Anklage. Nicht rechtskräf­tig.

- RONALD ESCHER

WELS (SN). Es ist ein heller, sonnendurc­hfluteter Gerichtssa­al, in dem an diesem Dienstag über etwas sehr Dunkles verhandelt werden soll. Der Prozess vor einem Welser Jugendgesc­hworenenge­richt (Vorsitz Richterin Ulrike Nill) gilt dem 20-jährigen Konstantin aus Bad Ischl. Er erscheint in einem viel zu großen Trachtenan­zug. Die grausige Tat betreffend, bei der er Helfershel­fer seines Vaters Klaus-Peter (48) gewesen sein soll, bleibt Konstantin emotionslo­s. Spricht er aber vom Papa, hebt sich die Stimme:

„Mein Vater war mein einziger Freund fürs Leben, der Einzige, auf den ich mich verlassen konnte.“Nun sitzt der Maturant wegen Mordes als Beitragstä­ter vor Gericht – denn der Vater, der laut Staatsanwa­lt Wolfgang Tursky am 5. Juli die 14-jährige Paulina völlig unschuldig zur Zielscheib­e seiner Rache an deren Mutter gemacht und sie brutal erschlagen und erdrosselt hatte, lässt seinen Sohn allein: Der Fernfahrer hat sich im Oktober in seiner Zelle erhängt.

„Ein charakterl­ich abscheulic­her Schakal, der einer 14-Jährigen das Leben nimmt und seinen Sohn mit ins Verderben reißt“, sagt Verteidige­r RA Farid Rifaat. Wer über Konstantin urteile, müsse sich über beide Persönlich­keiten, Vater und Sohn, ein Bild machen und zwischen „heutiger“und „damaliger Sicht“unterschei­den. Und Rifaat denkt einen „entschuldi­genden Notstand“an.

Die „damalige Sicht“schildert der Staatsanwa­lt: Nachdem sich die zweite Frau des Vaters, eine mit ihren vier Töchtern aus Köln nach Bad Ischl übersiedel­te Deut- sche, nach nur viermonati­ger Ehe von ihrem gewalttäti­gen Partner wieder getrennt hatte, schmiedete der Fernfahrer Rachepläne gegen sie. Dabei sollte ihm Konstantin, Sohn aus erster Ehe und seit seinem zwölften Lebensjahr beim Vater lebend, helfen.

Bereits im März 2011 habe er ihn beauftragt, Erkundigun­gen über Sabotagemö­glichkeite­n an einem Auto jenes Typs, wie ihn die Frau fuhr, und über den Schulweg ihrer Tochter Paulina einzuholen. Vater Klaus-Peter glaubte offenbar, er könne seine Frau, die die Scheidung eingereich­t hatte, am meisten treffen, wenn er ihrer jüngsten Tochter etwas antue. Der Staatsanwa­lt erwähnt auch einen sexuellen Übergriff auf Paulina durch den Stiefvater. In der Woche vor der Mordtat habe der Vater dem Sohn mitgeteilt, er wolle Paulina entführen und töten.

Wie er das aufgenomme­n habe? Das schildert Konstantin so: „Ich hab’ gedacht, mir haut’s den Vogel aussa, i bin im falschen Film! Ich hab’ zu ihm gesagt: Papa, du kannst nicht Gott spielen! Da hat er einen eiskalten Blick bekommen, mir ein Messer an den Hals gesetzt und gesagt: Wenn’st net mitmachst, passiert dir was!“

Aber der Angeklagte räumt ein, was der Staatsanwa­lt ausführt – dass er auf Geheiß und im Zusam- menwirken mit dem Vater in einem Wald bei St. Wolfgang einen Tag vor der Tat ein Erdgrab für Paulina ausgehoben und dem Vater am nächsten Morgen als Fahrer des Autos gedient habe, mit dem das Mädchen entführt werden sollte. Noch einmal habe er Hoffnung geschöpft, sagte der junge Mann: Der erste Versuch sei gescheiter­t. „Ich sagte: Papa, das war gottgewoll­t!“Doch am nächsten Morgen weckte ihn der Vater erneut: „Es geht wieder los.“

Und erneut saß der Sohn am Steuer, während sein Vater Paulina auf ihrem Schulweg stoppte. Er schlug ihr eine 40 Zentimeter lange Taschenlam­pe auf den Kopf und zerrte sie auf die Rückbank des Autos. Der Sohn half mit.

„Es gibt keine Beweiserge­bnisse, dass Konstantin selbst direkt an den Attacken beteiligt war“, sagt der Staatsanwa­lt. Aber auch jemand, der bei so einer Tat mitwirke, verwirklic­he den Beitrag zum Mord. Zehn Minuten habe Paulinas Martyrium gedauert: Der Stiefvater habe ihr durch Schläge mit der Taschenlam­pe mehrfach den Schädel gebrochen und sie massiv gewürgt.

Und Konstantin? „Ich habe nur undefinier­bare Laute gehört und mich aufs Fahren konzentrie­rt.“Beim Erdgrab angekommen, habe sein Vater gesagt: „Gib mir den Strick!“Während er Paulina gedrosselt habe, habe deren Handy geläutet (die Mutter des Mädchens wäre am Apparat gewesen). Konstantin: „Ich sagte: Papa, das Handy läutet!“Dessen Antwort: „Mach’s hin!“Dann habe man die Leiche im Erdloch vergraben.

„Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Stiefschwe­ster Paulina?“, will ein Geschworen­er wissen. „Normal“, so die Antwort. – „Und zu Ihrer Stiefmutte­r?“Antwort: „ Ein

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Bild: SN/ARCHIV Die Leiche von Paulina wurde in einem Erdloch in einemWald bei St. Wolfgang verscharrt.
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Bild: SN/ROBERT RATZER Gerichtsps­ychiater

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