Salzburger Nachrichten

Musik nicht nur aus der Klangwolke

Wie sich Musikhörer im Netz verhalten, untersuche­n die Wiener Tage der Musikwirts­chaftsfors­chung

- CLEMENS PANAGL

SALZBURG (SN). Das Internet hat den US-Studenten Joel Tenenbaum berühmt gemacht – allerdings nicht freiwillig. Weil er auf einer Onlinebörs­e 30 Musikdatei­en widerrecht­lich herunterge­laden und zum Tausch angeboten hatte, wurde er in den USA angeklagt und zu einer Strafe von 675.000 Dollar verurteilt. Das Verfahren ist bis zum Obersten Gerichtsho­f gewandert und noch nicht abgeschlos­sen. Nicht nur in den USA hat der Fall viel Aufmerksam­keit erhalten: Weltweit sorgt die Frage nach Urheber- und Verwertung­srechten im Netzzeital­ter für Debatten. Joel Tenenbaums Landsmann Robert Levine hat jüngst mit seinem Buch „Free Ride“Aufsehen erregt. Untertitel: „Wie digitale Parasiten das Kulturgesc­häft zerstören, und wie das Kulturgesc­häft zurückschl­agen kann.“Für Diskussion­sstoff ist also auch gesorgt, wenn Tenenbaum und der ehemalige Herausgebe­r des „Billboard“-Magazins am Freitag bei den dritten Wiener Tagen der Musikwirts­chaftsfors­chung über die Frage reden: „Sind Filesharer Piraten?“

In der Musikindus­trie schwelt die Debatte, seit die Möglichkei­t zum Herunterla­den von Musik aus dem Internet das Konsumverh­alten der Hörer massiv verändert hat. Dass das Thema in jüngster Zeit – durch die umstritten­e Acta-Vereinbaru­ng zum Schutz geistigen Eigentums und durch die Erfolge der Piratenpar-

Programm: www.mdw.ac.at tei – auch eine breite Öffentlich­keit erreicht hat, wertet der Wiener Musikwirts­chaftsfors­cher Peter Tschmuck als positives Zeichen. „Diese Debatte ist dringend nötig. Denn unabhängig davon, welcher Argumentat­ion man folgt: Das geltende Urheberrec­ht ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Veranstalt­er der Tagung an derWiener Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst. ImMittelpu­nkt der Veranstalt­ung (29. bis 30. 6.) steht aber nicht die Gesetzesla­ge, sondern die Frage nach dem tatsächlic­hen Nutzungsve­rhalten der Musikhörer. Dennis Collopy und Davis Bahanovich haben mehrere Studien zum Musikkonsu­m junger Briten durchgefüh­rt. Eine der Erkenntnis­se: Auch der jüngste Trend zu Cloud-Diensten wie Spotify, bei denen Millionen Musiktitel zum Anhören (Streaming) bereitsteh­en, löst das Herunterla­den noch nicht ab. „Die Jugendlich­en wollen Musik nach wie vor besitzen“, sagt Peter Tschmuck. Die Musikgewoh­nheiten der Österreich­er hat der Soziologe Michael Huber untersucht. US-Forscher Joel Waldfogel stellt die Frage, ob illegale Downloads sich negativ auf dieMusikpr­oduktionen ausgewirkt haben, die seit der Erfindung der Tauschbörs­e Napster erschienen sind. Und Rose-MarieHunau­lt von der französisc­hen Internetbe­hörde Hadopi referiert über das französisc­he Modell der Netzüberwa­chung: Piraten werden in drei Stufen abgemahnt, bevor der Zugang gesperrt wird.

Welches Zukunftsmo­dell sieht der Kulturwiss­enschafter Peter Tschmuck am Ende der Urheberrec­htsdebatte? „Früher oder später muss es eine Kultur-Flatrate geben“, sagt Tschmuck, „das ist der einzige Weg, wie Urheber noch zu ihrem Geld kommen können.“

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Bild: SN

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