„Man muss den Forschern Freiheit geben“
Thomas Henzinger erhielt den Wittgenstein-preis 2012 – An seiner Forschungsarbeit für das Ist-austria schätzt er die Unabhängigkeit
Thomas Henzinger, 1962 in Oberösterreich geboren, Informatiker und Präsident des Institute of Science and Technology (IST) Austria, erhielt dieses Jahr gemeinsam mit Niyazi Serdar Sariçiftçi, Physikochemiker an der Universität Linz, den renommierten Wittgenstein-Preis. Mit einer Dotierung von je 1,5 Millionen. Euro ist die als „Austro-Nobelpreis“geltende Auszeichnung der höchste Wissenschaftsförderpreis des Landes. Der Preis soll Spitzenforschern aller Fachdisziplinen für fünf Jahre ein Höchstmaß an Freiheit und Flexibilität garantieren. Freiheit in der Forschung ist etwas, das Thomas Henzinger über alles schätzt. SN: Sie sind nach einer äußerst erfolgreichen internationalen Karriere in den USA, Deutschland und der Schweiz nach Österreich zurückgekehrt. Das ist – leider – im heimischen Wissenschaftsbetrieb eher ungewöhnlich. Warum haben Sie sich für Österreich entschieden? Henzinger: Bei mir hat das viel damit zu tun, dass mir der Posten des IST-Präsidenten angeboten wurde. Die Gründung des Institute of Science and Technology in Klosterneuburg war eine einmalige Gelegenheit. Wir sind unabhängig, keine Universität, nicht assoziiert mit anderen Einrichtungen. Wir arbeiten ohne Altlasten und ohne Vorbedingungen. Wir können überlegen, was der effizienteste Weg für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung auf Weltklasseniveau ist. Wir sind nur von der Neugier für das Fach getrieben und nicht von wirtschaftlichen Interessen oder einem Zeitrahmen. Das ist das Spannende. SN: Gibt es für die Einrichtung Vorbilder? Henzinger: Sehr erfolgreiche Vorbilder gibt es in den USA, etwa die Rockefeller University, aber auch die ETH Zürich, die MaxPlanck-Institute und das Weizmann-Institut für Wissenschaften in Israel sind hier zu nennen. Wir haben die Freiheit, unsere Einrichtung nach diesen Vorbildern zu gestalten. Die Forschung ist natürlich international ausgerichtet und wir sind trotz aller Unabhängigkeit gleichzeitig in Österreich gut vernetzt. Wir sehen auch keinen Widerspruch in freier Grundlagenforschung und gesellschaftlichem Nutzen. Man muss For- schern Freiheit geben, denn oft kommen Zusammenhänge unerwartet. Erkenntnisse sind nicht vorhersagbar. SN: Sie leiten neben Ihrer Tätigkeit als IST-Präsident auch eine Forschungsgruppe. Woran arbeiten Sie derzeit? Henzinger: Ich bin Informatiker und arbeite eigentlich in einem Gebiet, das anwendungsorientiert ist. Trotzdem machen wir Grundlagenforschung. Unser Ziel ist es, die Zuverlässigkeit von Softwaresystemen zu verbessern.
Der gängige Weg ist, sie zu bauen und dann zu testen. Aber das geht zum Beispiel bei einem Flugzeug nicht. Sie können nicht zuerst ein Flugzeug bauen und es dann testen, ob es fliegt. In der Technikwissenschaft gibt es mathematische Modelle, mit deren Hilfe man präzise Vorhersagen treffen kann. Wir arbeiten also daran, auf diesemWeg die Sicherheit und Effizienz von Software vorhersagen zu können. Gerade das finde ich übrigens an der Informatik so fantastisch, dass der Weg von der Theorie zur Anwendung kurz ist. Bis jetzt war es so, dass man die Qualität von Software binär gemessen hat. Sie hat eine Eigenschaft oder sie hat sie nicht. Ein aktuelles Forschungsthema ist die graduierte Messung. Denn auch wenn eine Software in Ordnung ist, kann es graduell noch Unterschiede geben. SN: Haben Sie daneben noch Interessen? Henzinger: Ja, da gibt es ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Wir haben derzeit am IST vor allem Biologen und Informatiker, alle ausgezeichnete Fachleute, die besten Köpfe. Ich versuche also, viel mit den Biologen zu reden und dabei stellte sich heraus, dass mathematische Modelle auch für sie brauchbar sein könnten. Auch biologische Systeme können mathematisch modelliert werden. Auch da kann man Vorhersagen treffen. Man kann etwa Biologen sagen, welche Experimente interessant wären. Laborexperimente sind kostspielig und langwierig. Mittels solcher Vorhersagen könnte man sich auf das Wesentliche konzentrieren.