Immer mehr Frauen von Pillen abhängig
Psychopharmaka. Immer mehr Frauen bekommen Psychopharmaka verschrieben. Mediziner warnen vor „Abhängigenheer“.
BERLIN (SN, dpa). Ärzte in Deutschland verschreiben Frauen mehr Arzneimittel als Männern. Insbesondere der häufige Einsatz von Psychopharmaka ist medizinisch laut Experten riskant.
Auch in Österreich steigt die Zahl der depressiven Menschen seit Jahren stetig. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger rechnete zuletzt anhand von Verschreibungen aus, dass es in Österreich 900.000 psychisch Kranke gibt. In der überwiegenden Zahl handelt es sich dabei um Frauen, auch wenn der Anteil an Männern steigt. Psychopharmaka zählen auch in Österreich mittlerweile zu den am häufigsten verschriebenenMedikamenten.
Im Schnitt bekommen Frauen zwei bis drei Mal mehr Psychopharmaka verschrieben als Männer. Medizinisch seien die Unterschiede kaum begründbar, sagen die Autoren einer deutschen Studie über der Gebrauch von Medikamenten. Laut ihren Angaben bergen die Psychopharmaka zudem ein hohes Risiko, abhängig zu machen.
Wegen dieser steigenden Anzahl von Verschreibungen für Frauen schlägt der Gesundheitsforscher Gerd Glaeske Alarm. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein Heer von Abhängigen er- zeugen“, sagte der Professor am Bremer Zentrum für Sozialpolitik am Dienstag. „Frauen gehen offener mit ihren psychischen Beschwerden um“, sagte Glaeske. „Anstatt dass die Ärzte ihnen zu einer psychologischen Behandlung raten, verschreiben sie ihnen zu oft Arzneimittel.“Glaeske: „Frauen werden oft in die Abhängigkeit hineintherapiert.“
Typischerweise beginne so eine Karriere der Medikamentensucht im Alter zwischen 45 und 50 Jahren. Die Kinder seien aus dem Haus, eine neue Perspektive fehle oft. „Dann werden die ersten Präparate dieser Art verordnet.“Im Laufe der Jahre ließen sich viele auch gesetzlich versicherte Patientinnen die umstrittenen Mittel auf Privatrezept verordnen. Für die Ärzte habe dies den Vorteil, dass ihr Verordnungsverhalten nicht auffalle.
Auch Schmerzmittel nehmen Frauen viel öfter als Männer. Oft beginne die Verordnung dieser Mittel in Jugendjahren, etwa wenn die ersten Menstruationsbeschwerden einsetzten. Ein Grund für die Probleme der Frauen mit Arzneimitteln sei auch schlicht: „Frauen haben mehr Arztkontakte.“Sie gingen öfter in die Praxis. Glaeske fordert eine Negativliste für Medikamente mit einer erhöhten Gefahr für Frauen.
Frauen haben mehr Arztkontakte und nehmen mehr Pillen. Gerd Glaeske,
Soziologe