Das halbe Meer auf 3029 Metern Seehöhe
Ein Koch ließ auf dem Kitzsteinhorn auftischen. Hier ist der Reisebericht – eines Hummers.
Wer in der Schule brav aufgepasst hat, der weiß natürlich, warum die Höhe unserer Berggipfel mit „Seehöhe“angegeben wird. Das ist die Differenz vom Gipfel bis zumMeeresspiegel.
Am Sonntag wurde dasWort „Seehöhe“allerdings wieder einmal anders interpretiert. Da wurde zum Luxusmenü auf das Kitzsteinhorn geladen, wo der aus Saalfelden stammende und in Frankfurt wirkende Starkoch Mario Lohninger eine erlesene Schar von Gästen auf einer Seehöhe von – halten Sie sich fest – 3029Metern bekochen durfte. Dieses Event wurde recht bescheiden „Hochgenuss“getauft.
Um zu diesem zu gelangen, mussten natürlich Delikatessen auf das Kitzsteinhorn verschifft werden. Nein: Das ist kein Schreibfehler. Man hat die Ware verschifft. Wie sonst käme der zwischen Neuseeland und der Antarktis beheimatete Kaltwasserfisch Black Cod auf eine Seehöhe von 3029Metern? Auf dem Teller erhielt der
Hochseefisch üb- rigens Gesellschaft von Rettich-Cannelloni und japanischem Consommé. Auch ein Hummer-Gröstel mit Gänseleber und Zuckererbsen wurde dort oben frisch zubereitet. Wie der Hummer frisch von der See auf die Seehöhe kommt? Gute Frage.
Also das geht so: Man fängt ihn zumeist vor der nordamerikanischen Küste, dann schickt man ihn mit zusammengebundenen Scheren in „Dunkelhaft“tagelang auf die Reise. Aber er kriegt dabei wenigstens chemisch präpariertes Wasser, um zusätzlich mit Sauerstoff versorgt zu werden. Oft liegt der Hummer auch tagelang auf einer dicken Eisschicht – das mag er übrigens gar nicht. Nach dem Kauf im Delikatessenhandel wird er in luftdichte Plastiksäcke gesteckt und in irgendeine Küche gebracht, wo er dann kopfüber (noch) lebend in siedend heißesWasser gesteckt wird.
Man erzählt sich, dass die Indianer immer auf Berggipfel steigen, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Die Gourmets sind ähnlich gestrickt. Die Frage ist nur, ob sie die richtigen Schlüsse aus ihrem Gipfelerlebnis ziehen.