Wenn Korruption wenig erschüttert
Uwe Scheuch, die fehlende demokratische Selbstreinigung und der ausgeprägte Hang zur Doppelmoral: „Brauchen S’ a Rechnung?“
Und ewig grüßt der Lindwurm: Auch die Klagenfurter Neuauflage des Korruptionsprozesses gegen FPK-Chef Uwe Scheuch endete am Freitag mit einem Schuldspruch. Diesmal fiel alles gemäßigter aus: das (noch nicht rechtskräftige) Urteil – sieben Monate bedingt und eine 150.000-Euro-Geldstrafe – und die Reaktionen im Gerichtssaal sowie aus den Reihen der FPK. Dass der wegen Geschenkannahme durch Amtsträger Verurteilte nicht daran denkt, bis zum Ende des Verfahrens sein Amt als Kärntner Landeshauptmannstellvertreter ruhend zu stellen, sagt einiges über denMoralbegriff und die politische Kultur im südlichsten Bundesland Österreichs aus.
Man stelle sich die Situation in Deutschland vor: Ein stellvertretender Ministerpräsident, der trotz erstinstanzlicher Verurteilung seinen Amtsgeschäften nachgeht? Kaum möglich in einem Land, in dem die demokratische Selbstreinigung funktioniert. In Kärnten, wo nicht nur in dieser Woche Spitzenpo- litiker eher im Landesgericht als im Landhaus anzutreffen waren, scheinen so manche Werte durch die jahrelange Dominanz des „Systems Jörg Haider“verschoben zu sein. Wie sonst könnte man sich jene Passanten erklären, die Uwe Scheuch nach dem Urteil in der Klagenfurter Innenstadt freudig auf die Schulter klopften? Oder jene Gespräche in City-Lokalen, deren Fazit sich so anhörte: „Sag ehrlich: Tätest du Nein sagen, wenn du so leicht zu Geld kommen könntest?“Kopfschütteln in der Männerrunde.
Viel Verständnis also für einen ins Korruptionszwielicht geratenen Volksvertreter, für den die Unschuldsvermutung gilt. Vielleicht ist dies die Konsequenz einer von Doppelmoral geprägten Gesellschaft, in der nicht wenige ihr Auto von einem Bekannten schwarz reparieren und das Haus von Pfuschern aus Osteuropa aufstellen lassen. In der die Frage „Brauchen S’ a Rechnung?“kein Einzelfall ist. Und in der gerade Vertreter jener Partei, die vorgibt, sich für die Sauberen und Anständigen einzusetzen, immer wieder mit der Justiz zu tun haben. Das Vertrauen der Bürger in die Amtsträger werde durch ein Verhalten wie jenes von Scheuch erschüttert, sagte die Klagenfurter Richterin. Es wäre schön, wenn dem so wäre.
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