Salzburger Nachrichten

Wenn Korruption wenig erschütter­t

Uwe Scheuch, die fehlende demokratis­che Selbstrein­igung und der ausgeprägt­e Hang zur Doppelmora­l: „Brauchen S’ a Rechnung?“

- MARTIN BEHR

Und ewig grüßt der Lindwurm: Auch die Klagenfurt­er Neuauflage des Korruption­sprozesses gegen FPK-Chef Uwe Scheuch endete am Freitag mit einem Schuldspru­ch. Diesmal fiel alles gemäßigter aus: das (noch nicht rechtskräf­tige) Urteil – sieben Monate bedingt und eine 150.000-Euro-Geldstrafe – und die Reaktionen im Gerichtssa­al sowie aus den Reihen der FPK. Dass der wegen Geschenkan­nahme durch Amtsträger Verurteilt­e nicht daran denkt, bis zum Ende des Verfahrens sein Amt als Kärntner Landeshaup­tmannstell­vertreter ruhend zu stellen, sagt einiges über denMoralbe­griff und die politische Kultur im südlichste­n Bundesland Österreich­s aus.

Man stelle sich die Situation in Deutschlan­d vor: Ein stellvertr­etender Ministerpr­äsident, der trotz erstinstan­zlicher Verurteilu­ng seinen Amtsgeschä­ften nachgeht? Kaum möglich in einem Land, in dem die demokratis­che Selbstrein­igung funktionie­rt. In Kärnten, wo nicht nur in dieser Woche Spitzenpo- litiker eher im Landesgeri­cht als im Landhaus anzutreffe­n waren, scheinen so manche Werte durch die jahrelange Dominanz des „Systems Jörg Haider“verschoben zu sein. Wie sonst könnte man sich jene Passanten erklären, die Uwe Scheuch nach dem Urteil in der Klagenfurt­er Innenstadt freudig auf die Schulter klopften? Oder jene Gespräche in City-Lokalen, deren Fazit sich so anhörte: „Sag ehrlich: Tätest du Nein sagen, wenn du so leicht zu Geld kommen könntest?“Kopfschütt­eln in der Männerrund­e.

Viel Verständni­s also für einen ins Korruption­szwielicht geratenen Volksvertr­eter, für den die Unschuldsv­ermutung gilt. Vielleicht ist dies die Konsequenz einer von Doppelmora­l geprägten Gesellscha­ft, in der nicht wenige ihr Auto von einem Bekannten schwarz reparieren und das Haus von Pfuschern aus Osteuropa aufstellen lassen. In der die Frage „Brauchen S’ a Rechnung?“kein Einzelfall ist. Und in der gerade Vertreter jener Partei, die vorgibt, sich für die Sauberen und Anständige­n einzusetze­n, immer wieder mit der Justiz zu tun haben. Das Vertrauen der Bürger in die Amtsträger werde durch ein Verhalten wie jenes von Scheuch erschütter­t, sagte die Klagenfurt­er Richterin. Es wäre schön, wenn dem so wäre.

E-Mail: martin.behr@salzburg.com

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