Fiskalpakt und ESM – die weithin unbekannten Wesen
Landauf, landab lässt sich unschwer feststellen, dass der Inhalt des vor wenigen Tagen im Parlament von SPÖ, ÖVP und Grünen beschlossenen europäischen Fiskalpakts weithin bei Politikern wie Wählern unbekannt ist. Und das Gleiche gilt für den ESM. Somit empfiehlt sich ein Blick in die Details.
Der Fiskalpakt bestimmt, dass künftig der Staatshaushalt ausgeglichen sein muss oder Überschüsse auszuweisen hat. Toleriert wird nur ein Abgang in der Höhe von 0,5 Prozent des Sozialprodukts. Zur Erinnerung: Bisher galten aufgrund desMaastricht-Vertrags drei Prozent als Grenze. Die drei Prozent wurden nicht eingehalten, es ist höchst unwahrscheinlich, dass die 0,5 Prozent denWeg in die Realität finden.
Aus dem „Maastricht-Vertrag“beibehalten wurde die Begrenzung der Staatsschuld mit 60 Prozent des Sozialprodukts, die bekanntlich auch eifrig überschritten wurde.
Die Staaten – 25 der 27 EU-Länder sind dabei, Großbritannien und Tschechien haben verweigert – müssen nun diese Ziele erreichen. Die EU-Kommission wird sie dabei begleiten und beobachten. Meint die Kommission, dass ein Staat säumig ist, dann klagt sie den Staat beim Europäischen Gerichtshof. Gibt der Gerichtshof der Kommission recht, dann werden Strafen bis zu 0,1 Prozent des Sozialprodukts verhängt.
Wie dies funktionieren soll, steht nicht im Vertrag. Ein Gerichtsverfahren benötigt für die Beweisaufnahme und Urteilsfindung Zeit, sodass die Entscheidung erst vorliegen kann, wenn sich die Verhältnisse naturgemäß bereits geändert haben. Unklar ist auch, wie Richter zu Experten der Volkswirtschaft mutieren sollen. Ebenso stellt sich die Frage, welchen heilenden Effekt eine Strafe von 0,1 Prozent des BIP bei einem Land haben soll, das bereits finanzielle Probleme hat.
Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist ein Fonds, den die 17 Euroländer je nach ihrer Größe mit zusammen 700Mrd. Euro dotieren. Der Fonds soll 500 Mrd. für marode Staaten und Banken bereithalten und letztlich auch die rund 200Mrd. übernehmen, die der derzeitige Rettungsschirm EFSF bereits aufgebracht hat.
Als Euroländer müssen auch Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und Italien in den ESM einzahlen. Allerdings brauchen diese Länder Milliarden aus dem Fonds, sodass ihre Beiträge illusorisch sind. Fehlen aber Beiträge, dann müssen die anderen Euroländer, also auch Österreich, einspringen und bekommen diese Gelder nur zurück, wenn die Säumigen zahlen.
Der Fonds darf zwar nur helfen, wenn die Empfänger glaubwürdige Sanierungsmaßnahmen setzen, wird aber in „dringenden Fällen“prompt zahlen. Dieses Rezept hat schon in Griechenland jämmerlich versagt und bestimmt nun auch den neuen ESM.
Somit ist die Vermutung durchaus berechtigt, dass im Hohen Haus am vergangenen Mittwoch die Kenntnis dieser Details nicht sehr stark vertreten war. Ihre Meinung? salzburg.com/barazon