Salzburger Nachrichten

Hollande ist in höchster Not

Frankreich. In der Schuldenkr­ise steckt das Land. Doch noch ist kein Sparplan in Sicht.

- TANJA KUCHENBECK­ER

PARIS (SN). Jeden Tag kommen neue Hiobsbotsc­haften aus Frankreich, die es für den französisc­hen Präsidente­n François Hollande immer schwerer machen, seine Wahlverspr­echen durchzuhal­ten. Was hat er nicht alles versproche­n: höheren Mindestloh­n, Pension mit 60, Tausende neue Lehrerstel­len. Doch die Realität sieht anders aus, Hollande muss umdenken. Frankreich steht vor einem noch größeren Schuldenbe­rg als bisher erwartet und müsste in diesem und im kommenden Jahr rund 40 Milliarden Euro einsparen, um die Ziele der Neuverschu­ldung von 4,5 Prozent für 2012 und drei Prozent für 2013 einzuhalte­n. Zudem fällt das Wachstum mit 0,3 Prozent in diesem Jahr geringer aus als erwartet.

Das Milliarden­loch gefährdet nicht nur die Wahlverspr­echen. Die Regierung muss auch alles tun, um zu verhindern, dass das Land in eine ähnliche Lage rutscht wie Italien oder Spanien.

Mit einem Gesamtschu­ldenstand von 1800 Milliarden Euro ist das nicht leicht. Hollande ist zwar politisch mit aller Macht ausgestatt­et, aber doch machtlos durch die leeren Kassen. Schon jetzt hat Frankreich eine Schuldenqu­ote von 90,5 Prozent im Vergleich zum Bruttoinla­ndsprodukt (BIP). Bei 90 Prozent liegt die Grenze, an der laut Wirtschaft­sexperten die Schulden eines Staates außer Kontrolle geraten können. Es besteht die Gefahr, dass Frankreich­s Rating weiter abrutscht. Das Spitzenrat­ing AAA hat Frankreich schon verloren, aber es bleibt im Visier der Ratingagen­turen.

Um die Krise in den Griff zu bekommen, will Hollande zunächst auf der Einnahmens­eite zuschlagen, später an die Ausgaben gehen. „Ausgaben zu verringern, das ist wie einen Supertanke­r zu bremsen. Es braucht Zeit“, sagte Haushaltsm­inister Jerôme Cahuzac. Fraglich ist aber vor allem, ob diese Zeit noch bleibt.

Hohe Staatsquot­e

Bisher gibt es noch keine Details, wo gespart werden soll. Große Strukturre­formen wären notwendig, aber bisher sollen nur große Unternehme­n und Reiche mehr zur Kasse gebeten werden, 7,2 Milliarden zusätzlich­e Steuern sollen für dieses Jahr eingenomme­n werden. Doch ein Steuersatz von 45 oder gar 75 Prozent für die ganz Reichen könnte schnell zu einer Flucht in die Nachbarlän­der führen.

Hollande wird deshalb einen Ratschlag des Rechnungsh­ofs annehmen müssen. Mit höheren Abgaben sei es nicht getan, warnte diese Behörde. Es müsse auch zügig Kürzungen bei den Ausgaben geben. Frankreich hat die zweithöchs­ten Staatsausg­aben in der EU, deshalb muss Hollande handeln. Doch imWahlkamp­f hatte er versproche­n, keine Beamtenpos­ten abzubauen. Schon zeigen sich die ersten Risse in den Verspreche­n. Der Mindestloh­n wird angehoben, aber nur ganz geringfügi­g. Die Pension mit 60 soll nur für die gelten, die lang genug eingezahlt haben. Und in den Ministerie­n soll gekürzt werden. Einen rigiden Sparplan lehnt die Regierung ab, doch zaghaft den einen oder anderen Cent einzuspare­n, um die Franzosen nicht zu brüskieren, ist für eine Grundsanie­rung des Landes zu wenig.

Um Frankreich­s Wettbewerb­sfähigkeit steht es ohnehin schon nicht gut. Die 35-Stunden-Woche und hohe Abgaben belasten die Unternehme­n. Nun sollen Großuntern­ehmen noch stärker zur Kasse gebeten werden, auch die Überstunde­n sollen nicht mehr abgabenfre­i sein. Einige Unternehme­n drohten deshalb schon aus Frankreich abzuwander­n. In den letzten Tagen wurde die Krise schon in der Automobili­ndustrie deutlich: Peugeot will vermutlich 10.000 Stellen abbauen undWerke schließen.

Angesichts dieser Probleme hat Hollande seine Distanz zur deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel aufgegeben. Er bemüht sich wieder um ein gutes Verhältnis zu Berlin. Mehrere deutschfra­nzösische Treffen deuten die Annäherung zwischen den zwei Kernstaate­n der EU an. Präsident Hollande spricht in der Eurokrise von „Solidaritä­t“. Er weiß sehr wohl, dass er Deutschlan­ds gut gefüllte Kassen braucht, um Frankreich­s Probleme in den Griff zu bekommen.

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