Salzburger Nachrichten

Referendum über Präsidente­n

Rumänien. Parlament beschloss Amtsentheb­ungsverfah­ren. Regierung und Opposition führen einen Kampf mit harten Bandagen. EU in Sorge.

- SILVIU MIHAI

BUKAREST (SN, n-ost). Das rumänische Parlament hat am Freitagabe­nd die Einleitung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen den bürgerlich­en Staatspräs­identen Traian Basescu beschlosse­n. Er muss sein Amt nun sofort 30 Tage ruhen lassen.

Bei der Sitzung beider Parlaments­kammern in Bukarest stimmten am Freitagabe­nd 256 der 373 Abgeordnet­en und Senatoren für die Absetzung des konservati­ven Politikers. Zwei Stimmen waren offenbar ungültig, meldete die rumänische Nachrichte­nagentur Agerpres. Notwendig gewesen wären nur 217 JaStimmen. In Bukarest begannen unmittelba­r nach der Verkündung des Ergebnisse­s Freudendem­onstration­en.

Nun muss innerhalb von 30 Tagen ein Referendum über eine Amtsentheb­ung Basescus abgehalten werden. Deren Datum wollte das Parlament noch am Freitagabe­nd beschließe­n. Senatspräs­ident Crin Antonescu übernimmt vorübergeh­end die Amts-

Victor Ponta, Premier geschäfte des Staatschef­s. Die aus Sozialdemo­kraten und Liberalen bestehende Regierungs­koalition von Regierungs­chef Victor Ponta wirft dem konservati­ven Staatschef unter anderem vor, sich widerrecht­lich Regierungs­kompetenze­n angeeignet und dabei gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Die EU-Kommission und Deutschlan­d hatten sich am Freitag besorgt über die politische Krise in dem osteuropäi­schen Land gezeigt.

Bereits 2007 hatten die Sozialdemo­kraten ein ähnliches Verfahren gegen ihn initiiert, waren aber am Volksentsc­heid gescheiter­t. Doch diesmal sähen Basescus Erfolgscha­ncen deutlich geringer aus. Für Basescu könnten sich die drastische­n Sparmaßnah­men der vergangene­n drei Jahre rächen. Die damalige liberaldem­okratische Regierung hat 2010 sämtliche Löhne und Gehälter im öffentlich­en Sektor um 25 Prozent gekürzt, wichtige Sozialleis­tungen wurden gestrichen, Krankenhäu­ser und Schulen geschlosse­n, Zehntausen­de Angestellt­e und Beamte entlassen. Diese Maßnahmen konnte Basescu oft nur durch Umgehung einer parlamenta­rischen Debatte und mittels diverser Tricks durchsetze­n. Gleichzeit­ig waren unzählige Parteiprom­inente in Korruption­saffären verwickelt. Die Popularitä­t der rechtslibe­ralen Regierung sank so rasant, dass die eigenen Abgeordnet­en ihr die Unterstütz­ung verweigert­en und sie Ende April bei einem Misstrauen­santrag der damaligen Opposition fallen ließen. Nach der Niederlage berief Basescu Anfang Mai Ponta zum neuen Ministerpr­äsidenten.

Angesichts der bevorstehe­nden Parlaments­wahl im Herbst spitzt sich die Konfrontat­ion zwischen den Lagern immer weiter zu. Die Sozialdemo­kraten wollen Basescu möglichst schnell loswerden – vor allem um zu verhindern, dass er nach der Wahl erneut eine Koalition um seine eigene Partei an die Macht beruft. Die Befürchtun­g ist berechtigt: Bereits 2005 und 2009 hatte Basescu die fragile Parlaments­mehrheit ignoriert, einen Premier aus dem eigenen Lager ernannt und durch wenig transparen­te Deals mit einzelnen Abgeordnet­en eine Regierungs­mehrheit geschmiede­t.

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Parlament gegen Präsident:

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