Salzburger Nachrichten

Claus Hipp

Erklärt, warum nachhaltig­es Wirtschaft­en auf Dauer billiger kommt und warum mancher aus kosmetisch­en Gründen zum Hipp-glas greift.

- REGINA REITSAMER

Vor über 50 Jahren hat Hipp als einer der Ersten auf biologisch­e Landwirtsc­haft gesetzt. Heute ist der bayerische Babynahrun­gserzeuger einer der größten Verarbeite­r von Bioprodukt­en, viele kommen aus Österreich. Die Ideen von Unternehme­r Claus Hipp zum Thema Umweltschu­tz gehen aber darüber hinaus.

SN: Hipp: Frauen essen Hipp oft, weil es wenig Kalorien hat. Manche Verbrauche­r nehmen es aus kosmetisch­en Gründen und essen, bevor sie auf Urlaub fahren, zwei Wochen Hipp-Karotten, das bringt eine natürliche Aufnahme von Karotin, damit kann man mehr Sonne aushalten, ohne einen Sonnenbran­d zu kriegen. Und es gibt einen Prozentsat­z von älteren Menschen, die Hipp nehmen. Die wären über eine eigene Linie vielleicht gar nicht so glücklich, weil sie meinen, wir dürfen nicht mehr normal mitessen, vielleicht kriegen wir bald auch einen Blechtelle­r, weil der Porzellant­eller kaputtgehe­n kann. Da lassen wir das einfach neutral, das funktionie­rt besser, das haben wir ausgeteste­t.

SN: Essen Sie Hipp-Produkte? Hipp: Ich hab immer Obst-Gläser im Auto, falls ich nicht zum Essen komm. Marille ist mir am liebsten. SN: Ihr Engagement gilt dem Umweltschu­tz, steht das nicht dem wirtschaft­lichen Erfolg entgegen? Wächst die Wirtschaft, steigt der Schadstoff­ausstoß. Hipp: Im Gegenteil, das bedingt einander: Es ist wichtig, dass wir in die Zukunft schauen, die Schöpfung erhalten. Wenn wir nur in einer Generation denken würden, wäre unser wirtschaft­liches Handeln völlig falsch. Vielleicht ist es so, dass ein Familienun­ternehmen leichter in Generation­en denkt als ein börsenotie­rtes Unternehme­n. In der Familie denkt der Großvater an die Enkel, in der Kapitalges­ellschaft denkt der Manager manchmal nur an den Börsekurs. SN: Oft bringt nachhaltig­es Wirtschaft­en aber höhere Kosten. Hipp: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir durch unser Umweltdenk­en und durch den biologisch­en Landbau bei unseren Mitarbeite­rn den Effekt erzielen, dass sie sparsamer denken. So haben wir Einsparung­en, die wir sonst nicht hätten. Die Einstellun­g der Einzelnen hat sich geändert. SN: Sie haben aber auch schon Nachteile zu spüren bekommen: In den 90er-Jahren hat Schlecker Ihre Produkte ausgeliste­t, weil Sie mit dem Preis nicht nachgaben. Hipp: Da ging es um die Entscheidu­ng, biologisch­e Produkte zu verkaufen oder normale. Wir haben uns für das biologisch­e Produkt entschiede­n, das teurer ist, aber die Verbrauche­r wollen das. Die Entscheidu­ng war sehr hart damals, aber zweifellos richtig. SN: Das war fast der Ruin, Hunderte Mitarbeite­r mussten gehen. Hipp: Wir haben von einem Tag auf den anderen 20 Prozent Umsatz verloren, wir hatten zu viele Rohstoffe und zu viele Mitarbeite­r. Aber umgekehrt hatten wir nachher die Möglichkei­t, die Mitarbeite­r wieder einzustell­en. Heute haben wir mehr Mitarbeite­r und mehr Produktivi­tät. SN: Fühlen Sie sich im Nachhinein gesehen im Recht? Ist Schlecker über seine Strategie gestolpert, nur billig sein zu wollen? Hipp: Bei der Schlecker-Pleite mag eine Reihe von Dingen zusammenge­kommen sein, auch zu schnelles Wachstum. Wir haben damals aber richtig entschiede­n. Schlecker hat das zwei Jahre später eingesehen und Hipp-Produkte verkauft, zu den Preisen, die Bioprodukt­e eben bedingen. SN: Was bedeutet für Sie Nachhaltig­keit im Unternehme­n? Hipp: Nachhaltig­keit ist für mich ein breites Gebiet. Im Grunde heißt es, das Leben lebens- und liebenswer­t für die nächste Generation zu erhalten. Das ist wie bei einem Apfelbaum, jeder darf so viele Äpfel essen, um satt zu werden, aber keiner darf Äste abschneide­n, umbequemer heranzukom­men. Nachhaltig­keit bedeutet aber auch, alles für die Bildung zu tun, das Ziel muss der gebildete Mensch sein, der wertebewus­st ist. Nachhaltig­keit heißt auch sparsamer Umgang mit den einem anvertraut­en Gütern.

Denken Sie nur daran, was im Energiesek­tor alles möglich ist. Wir schaffen Glastempel, die im Sommer mehr Kühlung brauchen als im Winter Heizung. Umgekehrt haben wir im Winter Raumtemper­aturen, die an die Gesundheit­sgrenze gehen. Nehmen Sie eine 30-jährige Frau mit 60 Kilogramm: Senkt man die Raumtemper­atur um nur ein Grad, bringt das einen Mehrverbra­uch an Kalorien, der fünf Minuten Joggen ersetzt. SN: Das heißt, in IhrenWerke­n ist es im Winter kühler? Hipp: Wir müssen uns an solche Dinge behutsam herantaste­n. Schließlic­h sollen sich die Mitarbeite­r wohlfühlen. Aber es gibt Kleinigkei­ten, die man in einem Unternehme­n umsetzen kann: eine Kantine, die den Schwerpunk­t auf gesunde Ernährung und Bio legt. Reisen einschränk­en, manche Flugreise braucht man nicht, man kann auch über Skype kommunizie­ren. Was die Anreise unserer Mitarbeite­r zur Firma angeht, zahlen wir Kilometerg­eld auch an Radfahrer, und zwar gleich viel wie fürs Autofahren.

Bei den Rohstoffen haben wir uns vor über 50 Jahren als einer der Ersten entschloss­en, biologisch­en Landbau zu betreiben. Wobei sehr viele unserer Bauern aus Österreich kommen, wir haben SN: In Österreich hat es heuer erstmals einen Rückgang am Biomarkt gegeben. Ist der Zenit erreicht? Hipp: Nein, das wird immer weitergehe­n, weil es der vernünftig­ste und beste Weg ist und langfristi­g auch der wirtschaft­lichste. Es gibt neue Studien aus der Schweiz, die zeigen, dass Rinder, die nur mit Gras gefüttert werden, auf die Lebenszeit gerechnet samt Tierarztko­sten wirtschaft­licher sind als Kühe, die mit Kraftfutte­r kurzfristi­g zu hohen Leistungen getrieben werden. Da wird es ein Umdenken geben, dass man eine Ökobilanz auch bei Tieren macht. SN: Konsumente­nschützer haben jüngst kritisiert, dass zu viel Zucker in Ihren Instanttee­s ist. Hipp: Das war ungerechtf­ertigt. Wir haben einen Zuckergeha­lt, der einem Apfelsaft entspricht, der mit zwei Teilen Wasser verdünnt ist. Zucker ist ein Lebensmitt­el, solange man es vernünftig einsetzt. Wir haben aber auch zuckerfrei­e Tees, auf dem Etikett steht das genau, dann kann der Konsument entscheide­n. SN: Sie sind nicht nur Manager, sondern auch Maler und Musiker. Bereuen Sie, nicht Künstler geworden zu sein? Hipp: Als Künstler hätte ich auch nicht die Garantie gehabt, dass ich erfolgreic­h bin. Für mich ist es wichtiger, die Zeit, die ich für die Kunst aufwende, voller Ideen zu sein, als ganz viel Zeit zu haben und zu wenig Ideen. Das nutzt mir dann auch als Manager. Im Geschäftsl­eben geht es auch nicht ohne Fantasie und ohne Kreativitä­t, wenn man gute Lösungen sucht. SN: Das heißt, Manager sollten sich mehr Zeit für Kunst nehmen, um kreativ zu bleiben? Hipp: Das wäre sicher kein Schaden, wenn wir da umdenken. Fachwissen wird zu hoch geschriebe­n, Kreativitä­t und Denkvermög­en sind viel wichtiger.

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Jedes fünfte Hipp-Glas isst ein Erwachsene­r. Warum macht man nicht eine eigene Linie?

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