Nach der Saison ist vor der Saison
Müde. Der untypische und oft hektische Lebensrhythmus in Tourismus und Gastronomie ist Nährboden für mentale Berufserkrankungen.
SALZBURG (SN). Gern wird Burnout als Krankheit von Managern und Fußballtrainern, noch häufiger als Modeerscheinung oder willkommener Vorwand für eine berufliche Auszeit betrachtet. Doch alle Statistiken und Umfragen belegen die konkrete Zunahme an echten mentalen Erkran-
„Alarm, wenn einer plötzlich Zyniker wird.“
Thomas Knapp,
Burn-out-Betroffener kungen: Mit allgemeiner Müdigkeit, Depression, Schlafstörungen, Nacken- und Rückenbeschwerden haben die fünf wichtigsten medizinischen Auslöser des Produktivitätsverlusts psychische Ursachen, die wiederum mit der veränderten Arbeitswelt begründet werden. So wuchs das Gefühl, am Arbeitsplatz häufig Stress ausgesetzt zu sein, innerhalb eines Jahrzehnts von 26,6 auf 34,4 Prozent.
Viele der Belastungsfaktoren wirken im Gastgewerbe besonders. Etwa unregelmäßige Arbeit, auch während der Nachtstunden. „Wir hatten noch keinen Vortrag, bei dem in den Pausen derart viele Teilnehmer mit erkennbaren Burn-out-Symptomen Kontakt mit uns aufgenommen haben“, erklärte der Schweizer Arbeitsmediziner Dieter Kissling nach einem Seminar, das er für die Einkaufsgenossenschaft für Hotellerie und Gastgewerbe, die hogast, abgehalten hatte. Schon bei den von Kissling angeführten stärker gefährde- ten Personengruppen fühlten sich viele der 160 Teilnehmer gewarnt. Neben Zeitdruck heißt der Hauptrisikofaktor Kundenkontakt. Dabei treffe es vor allem leistungsbereite Dienstleister mit Hang zu Perfektionismus, betont Kissling. Nur wer keine Ansprüche an sich stelle, sei vor Stress gefeit.
„Bis man sich ein Burn-out selbst eingesteht, ist es oft schon zu spät“, warnte der Ex-Journalist Thomas Knapp. Der ehemalige Sportchef des Schweizer Boulevardblatts „Blick“weiß, wie es sich anfühlt, in die Burn-out-Falle zu tappen. Nur von außen könne die Warnung kommen, denn sich in einem gut bezahlten Job Schwächen einzugestehen, gelinge den wenigsten. Burn-out sei ein harmloses Wort, doch am Ende stehe die Depression.
Knapp erlebte alle typischen Symptome, wie aus seinem auflagestarken Er- fahrungsbericht „Burn-out – In den Krallen des Raubvogels“zu lesen ist. Am Anfang stehe Zerstreutheit, dann folgten häufig auftretende Konzentrationsstörungen, das Urteilsvermögen werde beeinträchtigt. Schlafstörungen zählen zu den besonders häufigen Stressfolgen, ebenso Suchtverhalten. „Selbst wenn einer plötzlich zum Zyniker wird, herrscht Burn-out-Alarm“, ergänzte Kissling. Andere Symptome erfordern persönliche Nähe: Weinanfälle, Apathie, aber auch übertriebenes Misstrauen gehören dazu.
Eine Sache ist, sein eigenes „Schlechtdraufsein“richtig einzuschätzen. Im beruflichen Alltag aber geht es überwiegend um das Erkennen von Burn-outSymptomen bei anderen. Laut einer Studie sind unausgeglichene Mitarbeiter um 7,5 Mal mehr gefährdet, als ein Boss, der mit sich im Reinen ist. „Entscheidungsautonomie stärkt das Selbstbewusstsein und reduziert die Gefährdung“, führte Kissling ins Treffen.
Wenn man nicht gerade im Hotel arbeitet, dann gehört laut Kissling eines zu den besten Präventionsmitteln: Wellness. „Die enorme Nachfrage nach Wohlfühlmomenten für Seele und Körper ist die logische Entwicklung zur Stressbewältigung, die so viele brauchen“, sagt Kissling. Welche Entspannungstechnik dabei angeboten werde, sei ihm egal. Wer aber bereits unter Burn-out leide, den könne das beste Wellnessprogramm nicht heilen. Denn auch das ist Fakt: Ein Drittel aller Burn-out-Opfer, die sich in klinische Behandlung begeben mussten, kehrten nicht mehr ins Berufsleben zurück, ein weiteres Drittel nicht mehr in den gleichen Job.