Mahlströme aus Müll Lebensraum für Wanzen
Plastik. Riesige Inseln aus zerriebenem Abfall bilden künstliche Oberflächen. Gut für einewanzenart, tödlich für viele Fische.
BANGKOK (SN). Sie heißt Nordpazifische Subtropische Konvergenzzone – ein riesiges Gebiet im Pazifik, das von kreisenden Meeresströmungen geprägt ist. Abfall aus allen Erdteilen sammelt sich dort an und bildet mittlerweile riesige treibende „Abfallinseln“aus Plastik.
Ihre Anzahl allein im nordöstlichen Pazifik zwischen Hawaii und Kalifornien hat sich innerhalb der vergangenen 40 Jahre verhundertfacht. Diese Inseln bestehen aus Abermillionen zersetzten Plastikteilen. Nur die größeren, schweren Teile versinken. Der Rest treibt auf der Wasseroberfläche. Sonnenlicht und Wellengang wirken wie Mahlsteine, die das Material zerkleinern.
Das amerikanische Scripps Institut für Ozeanografie ging nun auf „Plastikfang“und verglich die neuen Ergebnisse mit früheren Daten. Dabei seien alle Befürchtungen noch weit übertroffen worden, berichtete Scripps-Forscherin Miriam Goldstein der BBC. „Eine derart immense Zunahme von Abfall vorzufinden war sehr überraschend“, stellte sie fest.
Forscher prangern seit Langem die fatalen Folgen für Meerestiere an, die das Plastik fressen und daran verenden. Doch ein anderer Teil des Ökosystem macht sich die Verschandelung des Meers offenbar zunutze: Die Plastikfragmente erlauben es dem Halobates Seri- ceus, einem Verwandten des Teichwasserläufers, mitten im Ozean auf der Oberfläche der Müllinsel Eier zu legen. Gewöhnlich dienen den Meerwasserläufern Federn, Ölklumpen oder auch Stücke von Bimsstein zur Eierablage. Dank der Abfallinseln leben so viele Halobates wie noch nie im Pazifischen Ozean.
Erst habe man einen toxischen Effekt erwartet, der den gesamten Lebensraum vergifte, erzählte die Wissenschafterin. Doch für Halobates, eine 4,4 Millimeter große Wanzenart, erwies sich das Plastik als gute Sache. Die unvorstellbareMenge von Abfall, die mitten im Ozean neue, feste Oberflächen entstehen lasse, nutze „flößenden Gemeinschaften“, sagte die Forscherin. Auch Krebse, Seeanemonen und Polypen siedeln sich auf schwimmendem Inseln der Neuzeit an, und gewisse Fischarten mögen es, unter einer Art Schutzdecke zu leben.
Im Nordatlantik treibt Seetang, der einer Fülle von Getier und Insekten als Lebensraum dient. Im Nordpazifik ist fester, treibender Lebensraum neu. „Plastik hat dem Pazifischen Ozean feste Oberflächen gegeben. Das ist ein grundlegenderWandel“, sagte Goldstein.
Damit sind die erfreulicheren Aspekte der Symbiose zwischen menschlichem Abfall undMeeresfauna aber schon aufgezählt.
Einer weiteren Studie des Instituts zufolge weist jeder zehnte gefangene Fisch Plastikstücke im Magen auf. Nach Schätzungen verschlingen Fische allein im Nordpazifik jedes Jahr 12.000 bis 24.000 Tonnen Plastikabfall.