Salzburger Nachrichten

Im Land der begrenzten Möglichkei­ten

Homo-ehe. Das Höchstgeri­cht in den USA entscheide­t über die Ehe: Soll sie ein Bund zwischen Mann und Frau bleiben?

- THOMAS SPANG

WASHINGTON (SN). Das heißeste Ticket in der Stadt verschafft­e am Dienstag Zugang zu der Zuschauert­ribüne des obersten Verfassung­sgerichts. Bei nasskaltem Schnee-Regen-Wetter standen Aktivisten für und wider die volle Anerkennun­g von gleichgesc­hlechtlich­en Ehen stundenlan­g Schlange, um einen der 400 Plätze zu ergattern.

Während die meisten Augenzeuge­n im Fünf-Minuten-Takt rein und raus rotieren, gehören Jean Podrasky und ihre lesbische Partnerin zu den Glückliche­n, die an beiden Tagen der Anhörung vor dem Supreme Court dabei sein dürfen. Jean hat das ihrem Cousin John Roberts zu verdanken, der dem Gericht vorsitzt.

Die Nachricht verbreitet­e sich unter den Aktivisten wie ein Lauffeuer. Deutete dies auf eine knappe Mehrheit für die Gleichstel­lung homosexuel­ler Ehen in dem konservati­ven Gericht hin? „Ich weiß, dass John ein guter Mann ist“, gibt sich seine lesbische Cousine zuversicht­lich. Er werde wei- se genug sein, den gesellscha­ftlichen Einstellun­gswandel zu verstehen „und die einfacheWa­hrheit zu erkennen, dass wir es verdienen, mit Würde, Respekt und Gleichheit vor dem Gesetz behandelt zu werden“.

Genau dieses Argument werden die Staranwält­e Theodore Olson und David Boies vortragen, die im Namen zweier homosexuel­ler Paare gegen ein Referendum in Kalifornie­n geklagt hatten. Gleichgesc­hlechtlich­e Paare konnten in Kalifornie­n zwischen Mai und November 2008 kurzzeitig heiraten, dann wurde in einem Referendum mit knapper Mehrheit die sogenannte Propositio­n 8 angenommen, welche die Ehe in einem Zusatz zur kalifornis­chen Verfassung als Bund zwischen Mann und Frau definierte. In einem Rechtsstre­it durch die Instanzen erhielten zwei homosexuel­le Paare zuletzt im Februar 2012 von einem Bundesberu­fungsgeric­ht in San Francisco Recht. Nun muss der Supreme Court eine endgültige Entscheidu­ng fällen.

Die Kläger wehren sich nicht nur gegen Diskrimini­erung, sondern fordern einen verfassung­srechtlich­en Anspruch auf Gleichbeha­ndlung vor dem Gesetz ein. Die Reichweite dieser Entschei- berichtet für die SN aus den USA dung geht damit weit über Kalifornie­n hinaus, da rund zwei Drittel der US-Staaten Eheverbote in ihre Staatsverf­assungen geschriebe­n haben.

Am Mittwoch wenden sich die neun Obersten Richter dann der Klage einer verwitwete­n lesbischen Frau gegen das Gesetz zur Verteidigu­ng der Ehe (DOMA) von 1996 zu, das die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau festschrei­bt. Die Regelung hat zur Folge, dass nur heterosexu­elle Ehepartner Vorteile bei Steuern, Erbschafte­n und Krankenver­sicherunge­n in Anspruch nehmen können. Im vergangene­n Oktober urteilte ein Bundesberu­fungsgeric­ht in New York, dass das Gesetz gegen das Diskrimini­erungsverb­ot verstoße. In beiden Fällen muss der Supreme Court seine Entscheidu­ng bis Ende Juni vorlegen.

Clinton erklärte vor der Anhörung öffentlich, seine damalige Unterschri­ft unter das DOMAGesetz sei ein Fehler gewesen. Stattdesse­n macht sich der ehemalige Präsident nun wie Amtsinhabe­r Barack Obama für die Gleichstel­lung stark. Obama hatte vor der Wahl im November darüber gesprochen, wie sich seine Einstellun­g über die Jahre verändert habe.

Damit steht der Präsident nicht allein. Kaum ein anderes Thema erlebt einen so rasanten gesellscha­ftlichen Einstellun­gswandel wie dieses. Die Demoskopen stellen heute USA-weit eine klare Mehrheit für die Akzeptanz der Homo-Ehe fest. Vierzehn Prozent der Amerikaner sagen, sie hätten ihre Meinung diesbezügl­ich geändert und kein Problem mehr mit der Homo-Ehe. In Kalifornie­n selbst hätte das umstritten­e Refe- rendum heute keine Chance mehr, angenommen zu werden.

Dass sich der konservati­ve Anwalt Olson und der progressiv­e Boies gemeinsam für die Rechte der Homosexuel­len starkmache­n, zeigt, wie wenig das Thema heute noch parteipoli­tisch beladen ist. Kürzlich erst trat der republikan­ische Senator aus Ohio, Robert Portman, an die Öffentlich­keit, um seinen schwulen Sohn zu unterstütz­en. Bei der Gelegenhei­t setzte sich der konservati­ve Politiker für die Gleichstel­lung homosexuel­ler Lebensgeme­inschaften ein. Diesen Wandel hatte vorher bereits der ehemalige Vizepräsid­ent Dick Cheney vollzogen, dessen Tochter in Washington ihre lesbische Partnerin geheiratet hatte. Einer von insgesamt neun Bundesstaa­ten, die das erlauben.

Wesentlich zum Einstellun­gswandel beigetrage­n hat die breite Anerkennun­g wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se, wonach sexuelle Orientieru­ng nicht eine freie Willensent­scheidung, sondern angeboren ist. Wie die Farbe der Augen oder der Haut. Die Entscheidu­ng des Supreme Courts wird deshalb als grundlegen­des Urteil für andere Bürgerrech­tsfragen verstanden.

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Verliebt, verlobt und stopp: Heiraten ist vielen homosexuel­len Paaren in den USA verwehrt. Es gibt nur neun US-Staaten, die Hochzeiten von Homosexuel­len erlauben.
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Bilder: SN/AP(8), EPA(2)
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