Salzburger Nachrichten

Tod eines schwierige­n Menschen

Boris Beresowski­s Tod gerade jetzt wirft viele Fragen auf – nicht nur die, ob er sich tatsächlic­h selbst das Leben genommen hat.

- Susanne Scholl hat von 1991 bis 2009 für den ORF aus Moskau berichtet und lebt jetzt als freie Journalist­in und Schriftste­llerin in Wien. www.salzburg.com/scholl

Er ist nicht besonders beliebt gewesen, weder unter den Putin-Anhängern noch unter den Gegnern. Boris Beresowski hat tatsächlic­h nicht nur während der Präsidents­chaft Boris Jelzins viele Fäden gezogen – er hat vor allem Wladimir Putin an die Macht gebracht, weil er dachte, der kleine Petersburg­er KGB-Mann sei leicht zu manipulier­en.

Er war jemand, der gern manipulier­te und die Menschen für seine politische­n Zwecke einsetzte. Er bezahlte mehrere Journalist­innen für Bücher gegen Putin und für Reportagen in den von ihm finanziert­en Medien. Gleichzeit­ig sagen jene, die mit ihm arbeiteten, als er in Russland noch einer der mächtigste­n Männer war, dass er ziemlich zugänglich war, dass man mit ihm reden konnte. Das ist mehr, als man von Putin und seinen engsten Mitstreite­rn erwarten kann. Er soll tatsächlic­h nach einer kostspieli­gen Scheidung, einer gerichtlic­hen Niederlage und anderen Problemen deprimiert gewesen sein, und ein Journalist von „Forbes“, der am Tag vor seinem Tod mit ihm gesprochen haben will, erklärte, Beresowski habe sich als lebensmüde bezeichnet.

Eine Obduktion ergab am Dienstag Strangulie­ren als Todesursac­he. Gleichzeit­ig fanden die Gerichtsme­diziner keine Hinweise auf einen Kampf. So weit scheint sein Tod also tatsächlic­h ein unverdächt­iger gewesen zu sein. Aber: In seinem Umfeld hat es allzu viele gefährlich­e und unklare Ereignisse gegeben – allen voran derMord an seinem Freund, dem einstigen KGB-Offizier Alexander Litwinenko, der bekanntlic­h in London, Beresowski­s Exilort, mit Plutonium vergiftet wurde.

Eigentlich war es in jüngster Zeit ziemlich still geworden um Beresowski, den einzigen reichen Russen übrigens, bei dem die Bezeichnun­g Oligarch tatsächlic­h eine gewisse Rechtferti­gung hatte, weil er mit seinem Geld auch wirklich Politik machte.

Auffällig ist die blitzartig­e Reaktion der russischen Führung, die wenige Augenblick­e nach Bekanntgab­e von Beresowski­s Tod erklären ließ, der Staatsfein­d Nummer eins habe Selbstmord begangen. Sicher ist, dass er eben dieser russischen Führung auch als Emi- grant immer noch ein Dorn im Auge war, weil er sich von London aus zu den wichtigen Themen Russlands zuWort meldete und keinen Hehl daraus machte, was er von seinem einstigen politische­n Ziehsohn Putin hielt – nichts nämlich. Zudem unterstütz­te er immer noch die Opposition mit Geld. Jene Opposition, die jetzt die volle Härte der Repression­smaschiner­ie zu spüren bekommt, in einem Land, das auf der einen Seite um unrechtmäß­ig erworbene und zum Teil in Zypern gebunkerte Gelder weint und auf der anderen Seite meint, Menschenre­chtsorgani­sationen als „feindliche Agenten“einstufen zu müssen. Beresowski war gewiss nicht der Inbegriff des liberalen Gutmensche­n – aber dieses heutige Russland wollte er nicht.

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