Salzburger Nachrichten

Aufbruch in eine neue Ära der Medien

Am 1. April wagt das Land einen großen Sprung ins Ungewisse – Erstmals wird das Erscheinen von Tageszeitu­ngen erlaubt

- WILLI GERMUND

RANGUN (SN). Die größtentei­ls aus Militärkre­isen stammenden Parlamenta­rier fühlten sich mächtig auf den Schlips getreten. „Steht das Parlament etwa über dem Gesetz?“, hatte ein gewisser „Dr. Seik Phwar“in seinem Blog zu fragen gewagt. Eilends wurde ein Untersuchu­ngsausschu­ss gebildet: Der Blogger sollte enttarnt werden. Doch stattdesse­n gab es weitere verbale Prügel. „Das gleiche Parlament, das die Verfassung achten soll, missachtet sie nun“, polterte der weiterhin Unbekannte. „Dr. Seik Phwar“zeigt, wie sehr das Land sich verändert hat, seit es im Jahr 2011 den Weg aus dem Würgegriff der Militärs fand. Er ver- deutlicht aber auch, wie schwierig der Weg für Herausgebe­r und Journalist­en sein wird, die sich ab 1. April auf Neuland wagen. Denn ab diesem Datum dürfen erstmals seit Jahrzehnte­n Tageszeitu­ngen in dem 62 Millionen Einwohner zählenden Land veröffentl­icht werden. Bislang besaß das Regierungs­blatt „The New Light of Myanmar“einMonopol. „Nun geht es ums Ganze“, sagt der 51-jährige Ko Ko, der als Chef der Yangon Media Group als treuer Vasall der Militärs galt und mehrere Wochenzeit­ungen veröffentl­ichte. Ko Ko will nun mit einer Tageszeitu­ng mit einer Anfangsauf­lage zwischen 30.000 und 50.000 auf den Markt kommen. 35 Journalist­en hat er angeheuert und ausgebilde­t. „Die sind alle ganz neu. Ich will hungrige Leute haben“, betont er. Diese Einstellun­g hätte während der vergangene­n 25 Jahre schnurstra­cks ins Gefängnis geführt. „Tageszeitu­ngsära“nennen die Burmesen die Zeit ab 1. April bereits. Ko Ko rechnet mit täglichen Kosten von etwa zehn Mil- lionen Kyat (2300 US-Dollar) für sein 32 Seiten umfassende­s Blatt mit Schwerpunk­t Politik und Wirtschaft. Die Wochenzeit­ung „Irrawaddy“, bislang im Nachbarlan­d Thailand angesiedel­t und mit skandinavi­schen Hilfsgelde­rn finanziert, eröffnete gerade ein Büro in Rangun und steht vor unerwartet­en Startprobl­emen. Der Grund: Viele der werbefreud­igen Geschäftsl­eute stehen wegen ihrer Nähe zum Militärreg­ime auf schwarzen Listen bei Geberlände­rn. Die „11 Media Group“wiederum, die der Opposition um Aung Suu Kyi nahesteht, ging einen Pakt mit der englischsp­rachigen Zeitung „Nation“ein und hofft, mit dieser regionalen Kooperatio­n Anfangspro­bleme zu überwinden. Doch für Zeitungen aller Richtungen gilt, was Verleger Ko Ko auf den Punkt bringt: „Die Zukunft gehört dem Mobiltelef­on. Eine App ist lebenswich­tig.“Der Internetzu­gang erfolgt fast ausschließ­lich über die zehn Prozent der Bevölkerun­g, die ein Handy besitzen. Die Zahl der „Gefällt mir“-Klicks in Facebook aus Burma übersteigt die gesamte Auflage aller Wochenzeit­ungen. Kein Wunder, dass die Parlamenta­rier sich über den Blog von „Dr. Seik Phwar“erzürnten. Für seine auf Burmesisch geschriebe­ne Kritik gab es 4000Mal „Gefällt mir“.

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Bild: SN/AP Protest gegen Gewalt.
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berichtet für die SN aus Fernost

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