Muslime werden zur Zielscheibe
RANGUN (SN). Facebook wurde seit der politischen Öffnung Burmas zum beliebtesten sozialen Kommunikationsnetzwerk in dem südostasiatischen Staat. Kein Wunder, dass der Eintrag eines sogenannten „Myanmar National Movement Committee“blitzschnell die Runde machte. Die bis dahin unbekannte Gruppe warnte Buddhisten, weil Muslime in dem Ort Meikhtila mehr als 500 Kilometer nördlich der Hauptstadt Rangun angeblich aufhetzende Flugblätter verteilten. Zehn Tage später ging Meikhtila in Flammen auf.
40 teilweise bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Tote blieben zurück, nachdem Meikhtilas Buddhisten über ihre islamischen Nachbarn hergefallen waren. Der angebliche Anlass: Ein wütender muslimischer Kunde hatte einen buddhistischen Goldhändler verprügelt, der ein Schmuckstück aus Gold beschädigt hatte. Kaum hatten Burmas Polizei und Armee die blutigen Unruhen eingedämmt, flackerte Gewalt in mehreren Nachbarorten auf.
Die größte Gefahr für einen stabilen Übergang des Landes von der brutalen Militärdiktatur der vergangenen Jahrzehnte zu einem halbwegs demokratischen Land droht offenbar nicht vonseiten ewiggestriger Generäle oder übereifriger Aktivisten.
Vielmehr greifen nationalistisch und religiös geprägte buddhistische Fanatiker sowie Heißsporne in der islamischen Minder- heit ihren Frieden predigenden Religionen zum Trotz zu Lunte und Knüppel.
Nur rund fünf Prozent der 62 Millionen Einwohner Burmas gehören zum Islam. Aber sie wurden von den buddhistischen Burmesen immer angefeindet, seit sie unter der britischen Kolonialherrschaft als Zwangsarbeiter an den Irrawaddy gebracht wurden.
Bereits im vergangenen Jahr mussten rund 120.000 muslimische Rohingya, die von Burma nicht einmal als Bürger des Landes akzeptiert werden, fluchtartig ihre Dörfer verlasen und in eilig eingerichteten Notlagern Schutz suchen, nachdem sie in ihren Siedlungsgebieten rund um die Stadt Sittwe von überwiegend jungen Männern mit Sensen und Macheten attackiert worden waren. Der Konflikt forderte mehr als 100 Tote und verursachte Südostasiens gegenwärtig größte humanitäre Krise. Zuvor hatten buddhistische Mönche und eine radikale politische Gruppierung wochenlang gegen die Rohingya gehetzt.
In Meikhtila, wo ein Mob mehrereMoscheen niederbrannte und wo von den meisten Behausungen nur noch verkohlte Wellblechdächer übrig sind, mussten sich rund 18.000 Menschen in Notunterkünfte flüchten.
Anders als bei den Rohingya, als Buddhisten burmesische Helfer attackierten, wurden die Obdachlosen in dem Ort in Zentralburma zum Teil in buddhistischen Klöstern untergebracht. Angehörige der Gruppe „88 Movement“, die vor 25 Jahren als Demokratievorkämpfer in Burma von sich reden machten, halfen muslimischen Bewohnern bei der Flucht.
Laut Win Htein, der erst im vergangenen Jahr als einer von 43 Abgeordneten von Aung Suu Kyis Partei „National League for De- mocracy“(NLD) für den Wahlkreis Meikhtila ins Parlament einzog, hatten auch in Meikhtila Fanatiker die Stimmung angeheizt. „Von beiden Seiten sind in den vergangenen Wochen Flugblätter mit diskriminierendem Inhalt verteilt worden“, betonte er. Verschwörungsgläubige, die auch in Burma zahlreich vertreten sind, sehen bereits Parallelen zum Jahr 1988. Damals gab es am Rande von Demokratieprotesten gegen das damalige Militärregime ebenfalls gewalttätige Zusammenstöße, die von den Generälen als Vorwand für eine brutale Reaktion genutzt wurden. Sicher ist, dass der ehemalige General und jetzige Präsident Thein Sein bereits warnte: „Die gewalttätigen Auseinandersetzungen stellen eine Gefahr für die Fortsetzung des Reformprozesses dar.“
Anhänger der verschiedenen Religionen sollten die Gesetze achten und von „unnötigen Konflikten“Abstand nehmen, hieß es in einer Erklärung einer gemeinsamen Organisation von Buddhisten, Muslimen, Christen und Hindus, die am Sonntag in der staatlichen Zeitung „The New Light of Myanmar“veröffentlicht wurde.
Zugleich forderten die religiösen Vertreter von der Regierung die Gewährleistung besserer Sicherheitsvorkehrungen. Die Sicherheit sowohl von Muslimen als auch von Buddhisten müsse gewährleistet werden.