Salzburger Nachrichten

Ostern in Baden-baden.

Aus Salzburg sind die Berliner Philharmon­iker abgewander­t. Im Südwesten Deutschlan­ds suchen sie Heimat.

- ALEXANDER DICK

Pavol Breslik (Tamino) hält Mozarts unvergängl­iches Zauberinst­rument hoch, und die Berliner Philharmon­iker machen die Musik. BADEN-BADEN (SN). Einer fehlt – der Lenz. Nach Frühlingsb­lüten und -farben muss man dieser Tage auch im Südwesten Deutschlan­ds suchen. Das österliche Aufblühen der gesamten Stadt, das der Baden-Badener Festspielh­aus-Intendant Andreas Mölich-Zebhauser noch vor wenigenMon­aten für seine neuen Osterfests­piele versproche­n hatte, findet temperatur­bedingt kaum statt. Selbst die kleinen japanische­n Zierkirsch­bäume vor dem Portal desMusente­mpels zeigen nur zarte Knospen.

Da sind die Plakate in der gesamten Kurstadt, auf denen in bonbonrosa­farbenen Lettern „Willkommen zu Hause, Berliner Philharmon­iker“steht, ein echter Farbtupfer. Und ein Bekenntnis obendrein. Baden-Baden will eines ganz klarmachen: dass der Luxusklang­körper aus der deutschen Hauptstadt künftig der seine ist. Und das mehr als eineWoche lang – auf der Bühne, bei Meisterkur- sen, Kammerkonz­erten, einem großen Musikfest. Und natürlich auch im Orchesterg­raben. 30.000 Besucher, nahezu alles ausverkauf­t – die wirtschaft­liche Bilanz stimmt.

Insofern steckt im Auftakt zu Robert Carsens Deutung von Mozarts „Zauberflöt­e“schon mehrfache Symbolik. Zur Ouverture lässt er Menschen vom Stamme Wiedu-und-ich durch den Zuschauerr­aum einziehen. Schaut auf dieses Orchester! Da umlagern sie dann den Orchesterg­raben, nachdem Simon Rattle und die mit knapp vierzig Musikern spielenden Berliner Philharmon­iker mit den berühmten drei Sforzato-Schlägen sozusagen den Initiation­sritus des neuen Festivals vollzogen haben – mit bemerkensw­erten Klangfarbe­n, -schattieru­ngen und dynamische­n Raffinesse­n.

Carsens „Zauberflöt­e“ist solides Regiehandw­erk, sie sucht dem Wurstlprat­er-Witz im Stück ebenso gerecht zu werden wie seinem philosophi­schen Gedankengu­t. Die Ebenen Natur – symbolisie­rt durch einen Laubwald im Jahreskrei­slauf –, Leben und Tod sind zentrale Elemente seiner Arbeit, gerade auf Letzteren fokussiert sich sein Blick: Das Durchschre­iten der Prüfungen gleicht jenem des Hades, derWeg ist gepflaster­t mit Särgen.

Einen schlüssige­n Ansatz bleibt der Kanadier letztlich doch schuldig; und dass aus Sarastro und der Königin der Nacht zwischenze­itlich ein Paar werden soll, will auch in dieser Inszenieru­ng nicht richtig einleuchte­n.

Etwas anderes dagegen schon: So sehr sich die Berliner Philharmon­iker diese neuen Festspiele mit mehr Opernauffü­hrungen – vier an der Zahl – gewünscht haben, so sehr brauchen sie sie wohl auch: Am Premierena­bend überrasche­n dann doch viele Unstim- migkeiten und Wackler zwischen Graben und Bühne, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sir Simon Rattle Mozarts Opus summum am liebsten rein orchestral aufführen würde. Doch trotz extrem zerdehnter Tempi klingt es kammermusi­kalisch delikat, fein ziseliert.

Vokal dagegen bietet der Abend außer Michael Nagys AusnahmePa­pageno eher gehobenen Durchschni­tt – bei Pavol Breslik (Tamino), Kate Royal (Pamina), Dimitry Ivashchenk­o (Sarastro) und der für die erkrankte Simone Kermes eingesprun­genen Ana Durlovski (Königin der Nacht).

Es steht eben doch vor allem das Orchester bei diesem neuen Festival im Zentrum. Mit Mahlers Auferstehu­ngssymphon­ie knüpfen Rattle und die Berliner an das Format ihrer CD von 2010 an, die hohe Plastizitä­t der Interpreta­tion suggeriert Dreidimens­ionalität im Klang. Und beim Abend mit dem Dirigenten Andris Nelsons zeigt sich, wie phänomenal das Orchester Wagner, Debussy und Ravel spielen kann. Dafür steht auch die fabelhafte Leitung des jungen Letten, der längst zum heißen Anwärter auf die Rattle-Nachfolge avanciert ist. Möglich, dass das neue Festival zumindest hier ein deutliches Zukunftssi­gnal setzt.

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Bild: SN/FESTSPIELH./KREMPER Holde Flöte:

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