Salzburger Nachrichten

Seit einem Jahr herrscht dicke Luft bei deraua

Analyse. Nach dem Betriebsüb­ergang blieb das Chaos aus. Die Unsicherhe­it ist geblieben.

- MONIKA GRAF

WIEN (SN). Bernhard Sonnberger ist überzeugt, dass es die richtige Entscheidu­ng war, die AUA zu verlassen. „Weil ich sehe, welcher Frust sich in meiner Ex-Firma aufgestaut hat und wie unklar die Arbeitsbed­ingungen sind, und weil ich immer noch nicht sicher bin, dass die Firma über den Berg ist“, sagt der ehemalige Kopilot. Mittlerwei­le studiert er an der TU Wien Vermessung­stechnik und genießt seine neue Lebensqual­ität und regelmäßig­en Schlaf.

In der AUA selbst geht es nach wie vor weniger entspannt zu. Vor ziemlich genau einem Jahr, ebenfalls rund um Ostern, verliefen die letzten Versuche im Sand, die Aufkündigu­ng des Kollektivv­ertrags der rund 2100 AUA-Bordmitarb­eiter und den Betriebsüb­ergang auf den deutlich billigeren Kollektivv­ertrag (KV) der Regionalto­chter Tyrolean doch noch zu verhindern. Den Schritt hatte der neue AUA-Vorstandsc­hef Jaan Albrecht angedroht, falls die Verhandlun­gen über Einsparung­en beim Personal nicht fruchten sollten. Als Reaktion kündigte die Gewerkscha­ft vida den Tyrolean-KV.

Ob diese, für österreich­ische Verhältnis­se ziemlich radikale, Vorgangswe­ise auch vor den Gerichten Bestand hat, ist nach wie vor unklar. Die Gewerkscha­ft hat beim Arbeitsger­icht Wien auf Nichtigkei­t des Betriebsüb­ergangs geklagt. Das Urteil könnte im Laufe des April fallen, hieß es am Dienstag aus informiert­en Kreisen. Parallel dazu wurde der Oberste Gerichtsho­f (OGH) angerufen, der feststelle­n soll, ob der per Ende Juni 2012 gekündigte Kollektivv­ertrag der AUA, wie im Arbeitsver­fassungsge­setz vorgesehen, bis zum Abschluss eines neuen KV nachwirkt. Nach Ansicht der AUA kommt wegen des Betriebsüb­ergangs auf den Tyro- lean-KV keine Frist zum Tragen. Nachdem jedoch auch der Tyrolean-KV gekündigt wurde, gehen die Rechtsmein­ungen auseinande­r. Eine Entscheidu­ng des OGH wird frühestens im Mai erwartet.

Für den Anwalt der Gewerkscha­ft, Roland Gerlach, ist der Ansatz der AUA „ausgesproc­hen unfair“. Hier werde mit „juristisch­en Winkelzüge­n und Brachialme­thoden“das Arbeitsrec­ht außer Kraft gesetzt und das sei in Österreich „unüblich“. Der ausgewiese­ne Arbeitsrec­htler plädiert sogar für Streik, anders als seine Mandanten. Bei der Lufthansa in Deutschlan­d gebe es in einem solchen Fall sofort einen Ausstand.

Sollten die Richter im Sinne der Arbeitnehm­ervertrete­r entscheide­n, würde das für die AUA wohl in erster Linie Nachzahlun­gen mit sich bringen. Die Gehälter der rund 1800 AUA-Piloten und Flugbeglei­ter, die geblieben sind (117 Piloten und 217 Stewardess­en nutzten das Sonderkünd­igungsrech­t), wurden eingefrore­n, durch geringere Zulagen und längere Arbeitszei­ten mussten sie dennoch Einkommens­einbußen hinnehmen. Hunderte Mitarbeite­r haben bereits Ansprüche angemeldet.

In erster Linie werden mit der OGH-Entscheidu­ng aber die Karten für die Verhandlun­gen über ei- nen neuen Kollektivv­ertrag neu gemischt. Ein neues Rahmenrech­t ist für Belegschaf­tsvertrete­r die vordringli­che Aufgabe. „Der Frust ist groß, weil wir uns verschauke­lt fühlen“, sagt die Vizevorsit­zende des Betriebsra­ts Bord, Doris Hauser. Albrecht habe voriges Jahr versproche­n, so schnell wie möglich einen neuen KV vorzulegen. Jetzt habe sie den Eindruck, der Führung sei die unsichere Situation „sehr recht“und „die, die bei der AUA geblieben sind, werden fürs Hierbleibe­n bestraft“. Langsam sei das auch in der ehemaligen Tyrolean-Belegschaf­t spürbar.

Laut vida-Chef Gottfried Winkler wird es im April erste Gespräche über ein neues Rahmenrech­t für die 3000 Bordmitarb­eiter von Tyrolean und AUA geben. Auch Winkler wirft dem AUA-Management vor, bisher nur leere Ankündigun­gen gemacht und auf den OGH gewartet zu haben. Notwendig sei aber ein Branchen-KV.

Das Management ist überzeugt, dass die AUA ohne Betriebsüb­ergang heute nicht mehr existieren würde. In der Bilanz hat der harte Sparkurs tatsächlic­h positive Spuren hinterlass­en: Zwar gab es auch 2012 operativ einen Verlust, der sank aber von 65 auf zehn Mill. Euro, die Zahl der Passagiere stieg um 1,8 Prozent auf 11,5 Mill.

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