Falsche Enkel erbeutenvermögen
Schockierend. Immer wieder verlieren betagte Menschen durch schamlose Betrüger, die sich als Verwandte ausgeben, ihre Ersparnisse. Die Täter sind schwer zu fassen.
ZÜRICH, WIEN, WIESBADEN (SN). Dieser Fall schockiert: Betrüger erbeuteten bei einem betagten Schweizer Ehepaar in Zürich mit dem sogenannten Enkeltrick die gesamten Ersparnisse der Opfer – 410.000 Franken, umgerechnet knapp 336.000 Euro. Insgesamt drei Mal hatte zuvor eine junge Frau, die sich als Enkelin ausgab, bei den Pensionisten angerufen. Sie stecke in Schwierigkeiten und benötige daher Geld. Daraufhin habe das Paar jedes Mal einer angeblichen Bekannten der „Enkelin“hohe Bargeldbeträge übergeben. Die Opfer schöpften anfangs keinen Verdacht. Der Betrug flog erst auf, als sich die angebliche Enkelin nicht mehr meldete. Die Pensionisten riefen ihre Enkeltochter an, die versicherte, nie um Geld gebeten zu haben. Von den Betrügern fehlt bislang jede Spur.
Dieser jüngste Fall in Zürich reiht sich in der Schweiz in eine Reihe vieler ähnlicher Coups mit älteren Menschen ein. Die Vorgehensweise ist auch in Deutschland und Österreich nicht neu. „Schon seit mehr als zehn Jahren sind diese Täter in Europa als angebliche Enkel oder Neffen aktiv“, sagte Christoph Heichinger vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Mittlerweile wisse man, dass es sich dabei um einen großen Fami- lienclan in Polen handle, der auf eine Größe von bis zu 1500 Mitgliedern geschätzt werde. Sie sollen mit diesen Abzocktricks bereits viele Millionen Euro ergaunert haben. Das Problem dabei: Sie sind kaum zu fassen. Einerseits telefonierten sie mit anonymen Wertkartentelefonen, andererseits reagiere die Justiz in Polen überaus zögerlich.
„Das Besondere an den Tätern ist jedoch die ausgefuchste psychologische Dramaturgie, mit der sie auf ihre Opfer losgehen“, sagt Mario Hejl vom Bundeskriminalamt (BK) in Wien. Mit Suggestivfragen erzeugten sie bei den älteren Menschen einen solchen Druck, dass viele nicht mehr klar denken könnten und so auch keinen Verdacht schöpften.
Die Zahl der angezeigten Fälle in Österreich betrug 2011 mehrere Hundert, wie Hejl auf Anfrage sagte. 2012 sei sie jedoch zurückgegangen. Dazu kommt noch die Dunkelziffer, weil sich viele Opfer schämten, eingestehen zu müssen, betrogen worden zu sein.
In Österreich konnten nach Darstellung des BK dank der Zusammenarbeit mit Geldinstituten schon einige solcher Betrugsfälle im letzten Moment verhindert werden. „Wenn eine Pensionistin, die immer nur einige Hundert Euro bei der Bank behebt, plötzlich einen großen Betrag will, kann die Aufmerksamkeit eines Bankbediensteten die Rettung sein“, sagt Mario Hejl.