Salzburger Nachrichten

„Man überlegt, Was man davon kaufen könnte“

Prüfung. Wenn die Ehrlichkei­t siegt: Ein 52-jähriger Mann fand in Berchtesga­den 51.000 Euro und durchlebte einwechsel­bad der Gefühle.

- EVA HAMMERER

BERCHTESGA­DEN (SN). Martin Leitl ist schwer beschäftig­t: Er führt einen kleinen Elektrohan­dwerksbetr­ieb in Berchtesga­den und hatte am Dienstag alle Hände voll zu tun. Auf einer Baustelle mussten Arbeiten fertig gemacht werden. Gleichzeit­ig meldeten sich bei Leitl ständig Journalist­en, die ihn mit Fragen löcherten. Der Grund: Der 52-Jährige hatte am Sonntagabe­nd eine Geldtasche mit 51.000 Euro gefunden und sie bei der Polizei abgegeben.

Nach einer Skitour beschloss er am Sonntagabe­nd, noch in sein Büro zu gehen. „Ich hab dort verschiede­ne Sachen erledigt. Um den Kopf freizubeko­mmen, bin ich nach draußen gegangen und über die Straße.“Dort fällt die Böschung steil ab. „Da habe ich in der Wiese die Tasche gesehen, bin runter gestiegen und hab sie geholt.“

Martin Leitl warf einen Blick hinein und traute seinen Augen nicht. Er spricht offen darüber, was in ihm vorging: „Da sagt man momentan: Das gibt’s nicht. Das ist wie ein Schatz. Da ist man so ergriffen, dass man nicht weiß, wie man normal denken soll.“Eine erste Reaktion: „Da hat man was gefunden und das gehört jetzt mir. Man überlegt sich, was man davon kaufen könnte.“

Er nahm die Geldbörse mit heim, legte den Inhalt auf den Tisch und rief seine Frau zu sich. Die beiden durchlebte­n äußerst emotionale Augenblick­e: Die Ehefrau saß vor dem Geld und begann zu zittern. Sie wollte wissen, woher es stammte, und Leitls „Puls war

auf 160“. „Aber dann kommt sofort die Ehrlichkei­t. Man schaltet den Kopf wieder ein und sagt: Das zu behalten, ist schwerer Diebstahl. Das gehört mir nicht, sondern jemand anderem. Wie lange muss man dafür arbeiten? Ich bringe das jetzt zur Polizei.“Das machten er und seine Frau noch am sel- ben Abend. Sie lieferten die Geldbörse mit 51.000 Euro bei der Polizeiins­pektion Berchtesga­den ab. Auch dort staunte man nicht schlecht. So eine Menge Geld wurde dort noch nie abgegeben.

„Die Leute, die das verloren haben, waren fertig. Die hatten das Geld schon abgeschrie­ben. Ich habe es erst Sonntagabe­nd gefunden und sie haben es am Samstagvor­mittag verloren. Die haben bestimmt eine sehr emotionale Nacht durchlebt.“

Allen, die ihn gefragt hätten, warum er das Geld nicht behalten habe, richtet er aus: „Da muss man das ganze Geld auf den Tisch legen und sich davor setzen und es 30 bis 45 Minuten nur anschauen. Da fängt das Geld an, mit dir zu reden. Es ist nicht zu glauben, welcher Druck sich da aufbaut.“

Der 36-jährige Besitzer des Geldes aus Berchtesga­den war überglückl­ich. Er übergab dem Ehepaar 5000 Euro Finderlohn – gesetzlich vorgeschri­eben wären 1540 Euro gewesen. „Das war sehr großzügig. Das sind ja junge Leute, die gerade umgezogen sind.“Über den unverhofft­en Geldsegen freut sich Leitl nun umso mehr: „Ich werde mir wahrschein­lich eine Spiegelref­lexkamera kaufen und jedes Mal, wenn ich ein Foto mache, werde ich daran meine Freude haben.“

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Bild: SN/ROBERT RATZER Martin Leitl am Fundort in Berchtesga­den.

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