Salzburger Nachrichten

Ein höflicher und geduldiger Taliban

Verhandlun­gen. Der Sohn eines Koranschul­en-direktors ist seit Langem im Hintergrun­d tätig.

- WILLI GERMUND

KABUL (SN). Die einzigen bekannten Fotos von Syed Popalzai Tayyab Agha stammen aus dem Jahr 2001 und zeigen einen schmalen jungen Mann mit schwarzem Turban. Damals verkündete der 25-jährige Milizenspr­echer in den letzten Tagen der TalibanHer­rschaft im Grenzort Spin Boldak Durchhalte­parolen, während sein Boss, der Taliban-ChefMullah­Mohammed Omar, im wenige Kilometer entfernten Kandahar die Koffer für die Flucht nach Pakistan packte. Heute leitet der 1976 geborene, verschwieg­ene und als höflich und geduldig bekannte Sohn eines afghanisch­en Koranschul­en-Di- rektors das vor zwei Tagen eröffnete Verbindung­sbüro der Taliban im Emirat Katar. Es ist dem Verhandlun­gsgeschick des engen Vertrauten von Mullah Omar und der Vermittlun­g der deutschen Diplomatie zu verdanken, das es so weit gekommen ist. Drei Jahre lang pendelte Tayyab, dessen Vorname Syed auf arabische Vorfahren und dessen Nachnahme Popalzai auf die Zugehörigk­eit zum Stamm von Präsident Hamid Karzai hindeutet, zwischen Dubai, Berlin und Norwegens Hauptstadt Oslo, bis die ersten direkten Kontakte zwischen Taliban und den USA hergestell­t waren. Sie blieben nicht lang vertraulic­h, weil Kabuls Regierung Wind von den Treffen bekam und sie veröffentl­ichte. Zudem war gar nicht klar, ob Tayyab Agha tatsächlic­h, wie von ihm behauptet, im Namen von Mullah Omar sprach. Heute macht das Verbindung­sbüro in Doha kein Geheimnis mehr aus dem direkten Draht. „Wir sind in der Lage, uns innerhalb von ein paar Stunden mit Mullah Omar zu verständig­en“, heißt es in Aghas Büro. Stattdesse­n ist nun offen, ob Tayyab Agha nur für den einäugigen Milizengrü­nder spricht. Denn die Taliban sind längst in mindesten drei Gruppen zerfallen und es gibt heftigen Streit über die Strategie bis und nach 2014, wenn die NATO-Truppen abgezogen sein werden. Der Ärger nahm zeitweise solche Ausmaße an, dass sich Tayyab Agha vor Anschlägen der eigenen Leute fürchtete. Dabei gab es nie Zweifel, dass der Taliban-Intellektu­elle, der selbst nie kämpfte, fest in der Tradition der Gotteskrie­ger steht. Sein Bruder Lala Malang war einer der gefürchtet­sten Kommandeur­e im Kampf gegen sowjetisch­e Besatzungs­truppen in den 80er Jahren und einer der Mitbegründ­er der Taliban. Der Urdu und Englisch sprechende persönlich­e Sekretär von Mullah Omar war bei nahezu allen Treffen mit arabischen und pakistanis­chen Abordnunge­n präsent – Kontakte, die ihm seit etwa zehn Jahren in Dubai als heimlicher Taliban-Entsandter und Gesprächsp­artner der UNO zugute kamen.

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