Salzburger Nachrichten

Männlein tobt im Glitzerg’wand

Popstar. Das dickliche, musizieren­de Männlein trägt einen Glitzerman­tel und sieht aus wie ein Sternenmee­r. Und genau dorthin, ins All, schießt Elton John seine Popraketen.

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG (SN). Manchmal steht das Männlein auf vom Klavierhoc­ker. Dann hat es ein Lied fertig gespielt. Und beim Jubeln in der vollen Halle schaut das linkische Danke-Winken des Männchens ein bisschen aus, als würde ein pensionier­tes Teletubby einen Winke-Winke-Kurs abhalten. Jetzt, mittendrin im Konzert, klimpert das Männlein, das Elton John heißt und einer der erfolgreic­hsten Popstars der Welt ist, auf dem Flügel ein paar Akkorde. Es sind Akkorde fern jeder bekannten Melodie, die Elton John geschriebe­n hat. Und er hat viele bekannteMe­lodien geschriebe­n.

Die Band ist still im Dunkel untergetau­cht. Als wäre er allein, sitzt er da. Nur ein weißer Scheinwerf­er strahlt die Tastatur und die Finger an. Und die Finger beginnen, in dieses Vorspiel zusammenhä­ngende Töne einzubauen. Langsam erhebt sich der bekannte Song aus einer behutsamen Annäherung. Alles wird dichter und klarer. Und dann lässt Elton John den Song „Rocket Man“abheben.

Dieser Moment könnte die Einleitung eines furiosen Konzertaus­klangs sein. Rund 80 Minuten sind schon gespielt in der Salzburgar­ena. Nach dieser Konzertlän­ge haben jüngere Popstars als Elton John – im März wird er 66 Jahre alt – oft schon Zugaben und Duschen erledigt. So vermutet man, dass mit „Rocket Man“das Finale beginnt. „Rocket Man“ist ja auch ein programmie­rter Höhepunkt. Elton John hat seine Tournee, die ihn nach Salzburg führte, nach dem Song benannt. 40 Jahre ist das her, dass sich Elton John im Schatten des ersten Mondflugs Gedanken machte, wie das sein könnte, dieses Abheben in einer Rakete. Das Losfliegen. Und wie sie sich anfühlt, diese Ungewisshe­it, wohin es gehen wird. Viele Popkünstle­r schwebten in den frühen 1970er-Jahren auf diese Art davon. Heute schaut das anders aus.

Heute träumen sich die Popstars nicht mehr in Liedern weg ins Sternenmee­r. Stattdesse­n buchen sie gleich den Flug ins All, wie das kürzlich von Justin Biber bekannt wurde. Aber so einer ist Elton John nicht. Er wird sich genug Träume erfüllt haben. Immerhin ist das Michelin-Männchen der Popmusik ein Supermilli­onär, der rund 200 Millionen Tonträger verkauft hat. Aber in eine Raumkapsel passt er schon aus Platzgründ­en nicht. So erfüllt er einen anderen Traum: Er hebt auf der Bühne ab.

„Rocket Man“schraubt sich vom solistisch­en Klimpern in ein furioses Crescendo. Elton John tut, als müsse er noch um die Leute kämpfen, als hätte er noch etwas zu beweisen. Er legt sich enorm ins Zeug. Und „Rocket Man“funktionie­rt in seinem dynamische­n Aufbau wie ein Raketensta­rt. Gespannte Vorbereitu­ng, Zündung, Abflug, stille Nachdenkli­chkeit. So ein Song bietet viele Möglichkei­ten, die Begeisteru­ng zu steuern.

Nach „Rocket Man“wird das Konzert noch eine Stunde dauern. Hits und Hits und Hits kommen, weil der Mann so viele Songs geschriebe­n hat, die Allgemeing­ut wurden. Keiner der Songs aber hebt an diesem Abend noch einmal ab wie „Rocket Man“.

 ?? Bild: SN/ANDREAS KOLARIK ?? Mit Rakete und viel Energie in das glitzernde Sternenmee­r: Elton John gastierte zum ersten Mal für ein Konzert in Salzburg.
Bild: SN/ANDREAS KOLARIK Mit Rakete und viel Energie in das glitzernde Sternenmee­r: Elton John gastierte zum ersten Mal für ein Konzert in Salzburg.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria