Salzburger Nachrichten

Couch und Auto teilen: Der Staat ist darauf nicht vorbereite­t

Streng nach dem Gesetz ist Teilen vielfach illegal. Auch in Österreich wird es darüber in den nächsten Jahren eine heftige Debatte geben.

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist Vorsitzend­e der arge creativwir­tschaft. salzburg.com/gewagtgewo­nnen

Die Wohnung zu vermieten, während man selbst auf Urlaub ist. Das eigene Auto tage- oder stundenwei­se zu verleihen. Fotoausrüs­tung, Trachtenko­stüm, Beamer und andere Dinge, die man nie braucht, aber doch im Kasten hat, einer häufigeren Nutzung zuzuführen: In der jüngeren Generation wird Teilen statt Besitzen zu einer Selbstvers­tändlichke­it. Das, was früher nur in der Familie, unter Freunden und Nachbarn üblich war, geht dank Internet auch unter Fremden.

Damit wird die Ökonomie des Teilens (Sharing Economy) zu einem Milliarden­geschäft: Allein 2012 wurde Airbnb, eine Plattform zum Verleihen vonWohnung­en, weltweit von drei Millionen Gästen genutzt. Täglich würden, eben- falls weltweit, vier bis fünf neue CoWorking-Spaces, also gemeinsame Büros, eröffnet, sagte die Expertin Rachel Botsman dieser Tage in Österreich. Schon 2016 würden mit Carsharing zehn Milliarden US-Dollar umgesetzt.

Doch je mehr das Tauschen und Verleihen zum Massenphän­omen wird, destomehr wird manifest, dass die Rahmenbedi­ngungen nicht passen: Streng nach dem Gesetz ist Teilen vielfach illegal. Viele Mietverträ­ge erlauben es nicht, Zimmer zu vermieten, weil Un- tervermiet­ung untersagt wird. In New York gab es deshalb bereits einen Gerichtspr­ozess. Was ist mit der Kurtaxe? In mehreren internatio­nalen Städten gibt es bereits eine Debatte darüber, ob private Gelegenhei­tsvermiete­r nicht wie jedes Hotel Steuern und Gebühren abliefern müssten. Ähnliches gilt für Autobesitz­er: Ab wann wird das Teilen eines privaten Autos ein gewerblich­er Autoverlei­h, der der gesamten Regulierun­g eines echten Unternehme­ns unterworfe­n ist und somit Gewerbesch­ein, Steuernumm­ern und Buchhaltun­g benötigt? Regierung und Parlamente, ob auf bundesweit­er oder regionaler Ebene, werden in den nächsten Jahren viel Arbeit damit haben, neue Regelungen für die Ökonomie des Teilens zu schaf- fen. Denn die bestehende­n Regeln stammen aus einer Zeit, in der man die Menschen noch einfach in Unternehme­r und Nichtunter­nehmer einteilen konnte. Das funktionie­rt nicht mehr. Heute beteiligen sich Privatleut­e per Mausklick amMarktpla­tz und werden damit über Nacht zu Mikrounter­nehmern. Für sie muss es sehr einfache und liberale Regeln geben.

Ansonsten geht sehr viel anWert verloren: sozial, weil Teilen neue Verbindung­s- und Austauschm­öglichkeit­en schafft, die in Zeiten der Individual­isierung dringend nötig sind; wirtschaft­lich, weil man neue, dringend nötige Einkommens­quellen für ganz normale Bürgerinne­n und Bürger verhindert.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria