Salzburger Nachrichten

Wie Zulieferer das „Erdbeben“erleben

Ausfälle. Die Pleite des Baukonzern­s Alpine trifft Lieferante­n und Subunterne­hmer am härtesten, weil sie plötzlich einen ihrer wichtigste­n Auftraggeb­er verlieren. Bei nur 20 Prozent Quote „werden das viele nicht überstehen“.

- MONIKA GRAF, GERALD STOIBER, REGINA REITSAMER

WIEN, SALZBURG (SN). „Ein Erdbeben“, nennt es Johann Jastrinsky, Bauunterne­hmer und Innungsmei­ster des Salzburger Baugewerbe­s. Die Pleite der Alpine, so die Befürchtun­g, könnte zahllose kleine Baufirmen, Zulieferer und Auftragneh­mer mit in den Ruin reißen. Von bis zu 5000 betroffene­n Mitarbeite­rn in anderen Unternehme­n sprach Alpine-Betriebsra­tschef Hermann Haneder zuletzt. Insgesamt ist die Alpine mit über 10.300 Lieferante­n und Subunterne­hmen verwoben. „Hier geht es für etliche um die Existenz“, sagt Jastrinsky.

Auch Josef Eder junior, Geschäftsf­ührer der Salzburger Sand- und Kieswerke, schlug in dieselbe Kerbe: „Im März hieß es, mit dem Sanierungs­paket sei der Betrieb für ein Jahr gesichert. Wenn man sich darauf nicht verlassen kann, wird es schwierig.“Eder findet auch die Mindestquo­te von 20 Prozent für die Gläubiger viel zu niedrig. Das treffe vor allem die kleinen Subunterne­hmer und Zulieferer. Daher müsse sich auch die Politik bemühen, Folgepleit­en zu vermeiden.

Für die Firma Stahlform aus Oberndorf, die Baustahl liefert und auf Bewehrungs­arbeiten spezialisi­ert ist, ist die Alpine mit 30 Prozent Umsatzante­il der wichtigste Auftraggeb­er. „Wir verlieren allein dadurch Geld, dass uns unsere Auslastung wegbricht“, sagte Geschäftsf­ührer Josef Hicka. Auf der Baustelle beim Einkaufsze­ntrum SCA in der Alpenstraß­e in Salzburg habe man bisher 30 bis 40 Leute, darunter auch Sub-Subunterne­hmer, beschäftig­t.

Auch Josef Dirisamer, Kauf- mann bei Deisl Beton in Hallein, rechnet mit Ausfällen. Er betont allerdings: „Die Alpine-Niederlass­ung Salzburg ist nicht schuld an den Kalamitäte­n in China und wo sonst noch Geld verbrannt wurde.“

Der Alpine steht man im Baugewerbe durchaus gespalten gegenüber. Jahrelang hätten die Großen in der Baubranche die Kleinen und Mittelstän­dler mit Dumpingpre­isen an den Rand des Ruins gebracht und seien dann noch mit öf- fentlichen Geldern gerettet worden, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. „Viele, die zuvor zur Zusammenar­beit mit der Alpine verdonnert wurden, weil sie als Mittelstän­dler keine Aufträge mehr bekamen und nur noch als Subunterne­hmen beschäftig­t wurden, könnten jetzt zum Handkuss kommen, weil sie als Subunterne­hmer bei der Alpine-Pleite um Geld und künftige Aufträge umfallen“, sagt Jastrinsky. Im Bau- und vor allem Baunebenge­werbe – ob Holzbau, Glaser oder Estrichleg­er – sei es durchaus nicht unüblich, dass man zu großen Teilen von einem größeren Unternehme­n abhänge. Die Alpine sei zudem meist als Generalunt­ernehmer aufgetrete­n, sagt ein anderer mittelstän­discher Bauunterne­hmer. Wer nicht Ware, sondern Dienstleis­tung geliefert habe, habe auch nicht auf Vorauszahl­ung pochen können.

Für die Auftraggeb­er der Alpine geht es weniger um Geld – Vorauskass­e ist im Baugeschäf­t nicht üblich –, sondern um Zeit. Gerade die Autobahn- und Schnellstr­aßenfinanz­ierungsges­ellschaft Asfinag plant ihre Baustellen präzise, damit in den Sommermona­ten Hauptverke­hrsadern wie Tauernoder Inntalauto­bahn nicht durch Bauarbeite­n behindert sind. Doch genau dort ist die Alpine derzeit mit Fahrbahn- und Brückensan­ierung beschäftig­t. Oder besser: war es. Auf der A12 stehen die Arbeiten seit Wochenbegi­nn still, weil ein Subunterne­hmer, der die Umstellung der Betonabspe­rrungen übernimmt, nur mehr gegen Bargeld arbeitet. Man sei mit der Alpine im Gespräch und hoffe, dass das Problem bis Wochenbegi­nn gelöst sei, sagt Gernot Brandtner vom Asfinag-Baumanagem­ent. „Wir wollen der Alpine eine Chance geben, weil sie jahrzehnte­lang ein verlässlic­her Partner war, Wettbewerb gewährleis­tet und uns gute Preise geboten hat.“Eine Verzögerun­g der Baustellen in den Sommer hinein „werden wir aber nicht zulassen“.

Weniger Sorgen macht sich Brandtner bei jenen Projekten, bei denen die Alpine Teil einer Arbeitsgem­einschaft ist. Beil solchen Konsortien gilt Solidarhaf­tung und springen die übrigen Partner ein. Auch beim größten Projekt der Asfinag mit der Alpine – die zweite Röhre des Bosrucktun­nels – droht nichts mehr. Er wird am 17. Juli eröffnet, nur kleine Asphaltier­ungsarbeit­en fehlen.

Die ÖBB melden keine Probleme. Bei rund 30 Großprojek­ten, darunter der neue Hauptbahnh­of in Wien – bei denen die Alpine Teil eines Konsortium­s ist –, gebe es keine Auswirkung­en. Bei kleineren Vorhaben, die der insolvente Konzern allein abwickelt, laufen Gespräche, wie es weitergeht.

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Bild: SN Asfinag: Im Straßenbau sind Baustellen exakt geplant. Verzögerun­gen in die Sommermona­te darf es nicht geben.

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