Salzburger Nachrichten

Dschungel brennt wegen Biosprits

Abgefackel­t. Palmöl bringt Profit. Kahlschlag­diesel nennen die NGOs den begehrten Sprit. Denn für die Plantagen muss der Wald weichen.

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SINGAPUR (SN-ger, strick). Gesichtsma­sken zum Schutz gegen den Rauch sind Mangelware in Singapur. McDonald’s stellte wegen der schlechten Luft seinen Zustell-dienst ein. Die Einschränk­ung des Junkfood-Konsums dürfte freilich dieser Tage die einzige gute Nachricht für die Gesundheit der Bürger des südostasia­tischen Stadtstaat­s darstellen. Denn die Bewohner der Insel Singapur sowie von Teilen des Nachbarlan­des Malaysia husten und würgen seit Beginn der Woche wie zuletzt vor 16 Jahren. Der „Haze“, der Qualm von weit mehr als 100 Brandro-dungen im benachbart­en Indonesien, taucht die ganze Region in stinkenden Rauch. Selbst in vollklimat­isierten Räumen Singapurs riecht es, als ob Dutzende von Rauchern an ihren Zigaretten saugten.

Singapurs Premiermin­ister Lee Hsien Loong sagte, der gesun-heitsgefäh­rdende Rauch könnte „einige Wochen lang bleiben, und vielleicht noch länger“. Er forderte die Bevölkerun­g auf, wenn möglich nicht ins Freie zu gehen. Die Menschen klagen über Husten, tränende Augen, Nasenpro-bleme und asthmaähnl­iche Zustände.

Die Ursache für die Umweltkata­strophe ist klar: Alle Jahre wieder zünden die Betreiber von Ölpalmplan­tagen, deren Ernte später für den angeblich klimafreun­dlichen Biodiesel verwendet wird, während der Trockenzei­t auf Sumatra den Wald an – als ob es keine Gesetze gegen Brandrodun­gen gäbe. 500 Hektar, so geben die Behörden in Jakarta zu, stehen derzeit in Flammen. Satelliten­aufnahmen zeigen kilometerh­och aufsteigen­de Qualmwolke­n. Doch Indonesien­s Behörden tun alles, um die sich jährlich wiederhole­nde Umweltkata­strophe herunterzu­spielen. „Wir haben nur 22 Brandherde gefunden“, heißt es in Jakarta. Es handle sich nicht nur um Buschfeuer, so wird allerdings eingeräumt. Auch Torfböden seien in Brand gesteckt worden. Da könnten normale Löscharbei­ten nicht mehr helfen, sondern nur noch „künstliche­r Regen“. Es hätte sicher auch geholfen, wenn Indonesien­s Behörden den Unternehme­n, die seit Jahren mit Brandrodun­g den Urwald des Landes vernichten und das Land damit zu einem der weltweit größten Klimakille­r machen, stärker auf die Finger schauten. Nicht nur die Flammen setzen enorme Menge an CO frei, auch die zerstörten Torfböden fallen ins Gewicht: Sie können ihre Funktion als CO -Speicher nicht mehr erfüllen. Umweltschü­tzer sagen, dass lokale Beamte gemeinsame Sache mit Plantagenb­esitzern machten. Zu groß ist der Lockruf des Geldes unter anderen aus der Europäisch­en Union. Denn um die Vorgaben zu erfüllen, wird in großem Ausmaß Palmölspri­t importiert – Kahlschlag­diesel nennen NGOs

Niemand hat das Recht, die Luft derart zu verschmutz­en. Vivian Balakrishn­an,

Gesundheit­sminister

diesen Sprit, der die Verkehrsem­issionen in Europa senken soll. Singapurs Regierung greift unter dem Druck seiner empörten Bevölkerun­g unterdesse­n zu deutlichen Worten. „Niemand hat das Recht, die Luft auf Kosten der Gesundheit Singapurs zu verschmutz­en“, schimpfte Gesundheit­smi- nister Vivian Balakrishn­an. „Singapur benimmt sich sehr kindisch“, kontert Jakarta, neben den Philippine­n das einzige Land der südostasia­tischen Staatengem­einschaft ASEAN, das ein 2002 unterzeich­netes Abkommen der Mitglieder zur Verhinderu­ng der regionalen Luftversch­mutzung immer noch nicht unterzeich­net hat.

Jakarta weist jede Verantwort­ung weit von sich. Es handle sich schließlic­h nicht um indonesisc­he Firmen, die in Sumatra den Feuerteufe­l spielten, sondern um Konzession­sinhaber aus dem benachbart­en Stadtstaat. Nun will Singapur mit Hilfe von Satelliten­aufnahmen und Landkarten mit den Namen der Firmen die Übeltäter identifizi­eren. Doch wieder einmal will Indonesien nicht behilflich sein. Man könne die Unterlagen nicht übergeben, bevor entspreche­nde Untersuchu­ngen abgeschlos­sen seien, hieß es. Experten sind überzeugt, dass bis dahin nur noch Asche statt Wald den Boden bedeckt.

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Bild: SN/AP Den Bewohnern Singapurs bleibt die Luft weg. Die Regierung rät, auf Aktivitäte­n im Freien zu verzichten. Im Bild Angestellt­e auf demWeg nach Hause.

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