„Ich hätte das alles überlebt“
Alexander Van der Bellen. Was der Ex-chef der Grünen als Uni-beauftragter der Stadt Wien so zu tun hat, wieso er die Salzburger Dreierkoalition „ausgezeichnet“findet und warum ihm der Nationalrat (nicht) fehlt.
Alexander Van der Bellen raucht wieder. „Weil ich ein schwacher Mensch und einfach zu alt zum Aufhören bin“, scherzt der 69-Jährige nach fünfmonatiger Rauchpause. Auch sonst hat sich der einstige Grünenchef wenig verändert, seit er sich als Beauftragte der Stadt Wien um Universitäten und Forschung kümmert. Na ja, seinen Anzug hat er gegen etwas Bequemeres eingetauscht und sein Hund Chico darf ihn überallhin begleiten – auch in sein Büro im neunten Bezirk. Wie die erste Zigarette war? „Besser als früher“, antwortet Van der Bellen, bevor es im SN-Interview um Hochschulpolitik, die Grünen und die bevorstehende Nationalratswahl geht. SN: Hätten Sie sich einen UniBeauftragten gewünscht , als Sie noch als Professor und Dekan an der Uni aktiv waren? Alexander Van der Bellen: Ja, sicher. Als ich vor 20 Jahren Dekan war, waren die Beziehungen zwischen den Unis und der Stadt sehr, sehr schwach. Damals haben wir einen wesentlichen Teil der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in die Brünner Straße nach Floridsdorf übersiedelt. Als universitäres Zentrum waren wir ein Fremdkörper in dieser Gegend. Es gab jede Menge Pläne, ein Studentenheim und mehr zu errichten. Das ist alles gescheitert. Jetzt übersiedelt die Fakultät zurück an die Roßauer Lände hier ums Eck. Ich gebe zu, ich hatte damals als Dekan verabsäumt, mich mit dem Floridsdorfer Bezirksvorsteher auf einen Kaffee zusammenzusetzen. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, er aber auch nicht. SN: Ihr Job als Uni-Beauftragter besteht also darin, mit verschiedenen Leuten Kaffee trinken zu gehen? Van der Bellen: Natürlich nicht nur, aber auch. Wir haben es mit Querschnittsmaterien zu tun, wo die Aufgaben der Handelnden zwar klar definiert sind, aber die Kommunikation oft fehlt. Das hat sich etwa beim Fremdenrecht und der Visaerteilung für Studierende und Forscher gezeigt. Wir haben die Zuständigen der Magistratsabteilung 35 und der Wiener Unis an einen Tisch gebracht. Jetzt klappt die Kommunikation besser. Die Universitätenkonferenz hat diese Initiative aufgegriffen und ein eigenes „Forum Fremdenrecht“eingerichtet, in dem sich die Unis besser absprechen. SN: Was können Sie tatsächlich ausrichten? Für die Unis ist ausschließlich der Bund zuständig. Van der Bellen: Alles entscheidet der Bund nicht. Die Stadt genehmigt etwa Widmungen in Bauverfahren, wenn ein Institut – so wie jetzt gerade die Biologie der Uni Wien – gern umsiedeln will. Da helfe ich als Mediator, Fürsprecher, Kommunikator. Ich bin kein Stadtbeamter, ich arbeite ehrenamtlich. Das funktioniert manchmal und manchmal frustrierenderweise auch nicht.
SN: Was hat Sie frustriert? Van der Bellen: Die Wiener Linien. Einmal bei der Benennung von U-Bahn-Stationen, ein anderes Mal bei den Fristen für ein ermäßigtes Semesterticket. Die sind (mit dem Auslaufen am 1. September und am 1. März, Anm.) so gelegt, dass ausländische Studierende sie nicht mehr beantragen können, wenn sie später nach Wien kommen. Und die Wiener Linien ändern das nicht. SN: Aber der Dr.-Karl-Lueger-Ring wurde doch in Universitätsring umbenannt. Reicht das nicht? Van der Bellen: Mir geht’s darum, dass Wien auf lange Sicht seine Reputation als intellektuelles Zentrum verstärken muss. In Wien ist das noch nicht hinreichend verankert. Deshalb müssen Universitäten und Forschungseinrichtungen sichtbarer werden. Daher fordere ich auch, dass die Technische Uni Wien bei der Station Karlsplatz angezeigt wird. Wie wichtig das ist, hat die hitzige Debatte über die Umbenennung des Universitätsrings gezeigt. SN: Sind Sie froh, dass Sie Ihr Studium bereits hinter sich haben? Sonst drohten Ihnen Aufnahmeverfahren und eine Studieneingangsphase. Van der Bellen: Das hätte ich alles überlebt. Als ich zu studieren begonnen habe, gab es Studiengebühren, die pro Lehrveranstaltung eingehoben wurden. Das war ein absurdes System, weil die Professoren, die die großen Pflichtvorlesungen gehalten haben, am meisten kassiert haben – egal, ob sie didaktisch gut waren oder nicht. Die Volkswirtschaftslehre war total überlaufen und chaotisch organisiert. Die Unis heute sind sicher tausendprozentig besser als damals. Ich sehe den freien Hochschulzugang mit gemischten Gefühlen. Ich finde, die Unis sollten sich ihre Studenten selbst aussuchen können – oder finanziell so ausgestattet werden, dass sie ein qualitativ hochwertiges Studium in allen Fächern anbieten können. SN: Wie geht es Ihnen mit Studiengebühren? Van der Bellen: Ich war immer schon für Studiengebühren, konnte mich aber innerparteilich bei den Grünen nicht durchsetzen. Aber Studiengebühren allein machen das Kraut nicht fett für die Unis. Sie bräuchten viel mehr Geld. Ich habe diese Selbstbelügung der Regierung satt, die nicht im Traum daran denkt, die Parlamentsbeschlüsse umzusetzen und damit das Hochschulbudget bis 2020 auf zwei Prozent des BIP anzuheben. Schauen Sie sich den Finanzrahmen bis 2017 an. SN: Was halten Sie von der Dreierkoalition aus ÖVP, Grüne und dem Team Stronach in Salzburg? Van der Bellen: Ich finde das ausgezeichnet. Es wird gern übersehen, dass Schwarz und Grün in dieser Konstellation nicht abgewählt werden können, falls das Team Stronach aussteigt. Sie haben genau die Hälfte der Sitze im Landtag. Bei Rot-Grün-Stronach wäre das nicht der Fall gewesen. SN: Wäre das auch ein gangbares Modell für den Bund? Van der Bellen: Wenn Stronach bei seinen Positionen bleibt – die Anti-EU- und die Anti-Gewerkschaftsmasche – dann nein. Wenn er sie revidiert, vielleicht. SN: Finden Sie es schade, dass Sie nicht mehr an der Spitze der Grünen stehen, jetzt, wo Sie in fünf Bundesländern mitregieren? Van der Bellen: Es hat schon seine Vorteile, wenn Christoph Chorherr und ich – die beiden ExParteichefs – nebeneinander in der letzten Reihe im Wiener Rathaussaal sitzen. Aber es wird die Partei langfristig verändern, wenn sie in fünf Ländern mitregiert. Das war bisher schon eine asymmetrische Beziehung, dass der Bund dem Land nix dreinreden darf, umgekehrt aber schon. SN: Wieso kandidieren Sie nicht mehr bei der kommendenWahl? Fehlt Ihnen der Nationalrat nicht? Van der Bellen: Doch. Dafür ist es spannend, jetzt einer Regierungspartei anzugehören. SN: Stünden Sie als grüner Finanzminister zur Verfügung? Van der Bellen: Wie sagt man? We’ll cross that bridge when we get there. (Auf Deutsch: Alles zu seiner Zeit, Anm.)